Myanmar: Kardinal Bo drängt Politiker und Religionsführer zu Frieden
„Der Krieg entehrt alle“, schreibt der Kardinal und fragt nach der Verantwortung für die anhaltenden Spannungen in Myanmar. Man könne der „Kriegslust der Armee“ die Schuld zuweisen und auch ihrem hartnäckiges Verweigern eines vollständigen Waffenstillstands, um der Nation die Bewältigung der Corona-Pandemie zu ermöglichen, so Bo, der jedoch im gleichen Atemzug die „die schwache Autorität der Zivilregierung“ und „das Fehlen fairer Prozesse im Justizsystem“ beklagte. Ethnische Gruppen profitierten vom Handel mit Jade oder Drogen. Auch Religionsführer seien nicht schuldlos an der Krise im Land, fuhr der Kardinal fort: Sie seien „zu zaghaft“ beim Protest gegen Ungerechtigkeit.
Myanmar sei heute in eine dreifache globale Krise mit hineingenommen, analysierte Kardinal Bo: erstens die Coronakrise, zweitens die Klimakrise, drittens die Krise zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien. In dem Land mit seinen vielen Volksgruppen „klammern sich die Menschen immer noch an den Wahn einer Rangordnung aufgrund ethnischer Unterschiede“, beklagte der Kardinal.
Massive auswärtige Interessen
Bo warnte auch vor massiven, auswärtigen Geschäftsinteressen an den Reichtümern des Landes wie Gold, Tropenholz, Jade, Wasser und Urwald. „Während wir uns gegenseitig bekämpfen, wird unser Land verwüstet, werden unsere jungen Menschen durch Drogen vernichtet und verlassen Tausende junger Frauen und Männer das Land“, schrieb Bo im Namen der katholischen Kirche. „Es ist Zeit, damit aufzuhören." Der Kardinal forderte die Führungspersönlichkeiten seines Landes auf politischer, gesellschaftlicher und religiöser Ebene auf, eine Nation zu bauen, „in der keine Angst vor dem Unterschied herrscht und man stattdessen lernt, zu verhandeln, Dialog zu führen und sich an dem zu freuen, was man ist.“
Die nächsten Parlamentswahlen in Myanmar sollen am 8. November stattfinden. Sie stellen einen Bewährungstest für die regierende Partei „Nationale Liga für Demokratie" (NLD) unter Friedensnobelpreisträgerin und Staatsrätin Aung San Suu Kyi dar. Diese hatte die Wahlen vom November 2015 klar gewonnen. Ihre Bilanz fällt durchwachsen aus. Im nördlichsten Bundesstaat Kachin brach ein Bürgerkrieg aus, Ende 2018 wurden Chin und Rakhine zu einem weiteren Kriegsschauplatz.
Parlament: Ein Viertel Militär
Bis 2015 hatte das buddhistisch geprägte Land mehr als fünf Jahrzehnte unter Militärherrschaft gestanden. Laut der Verfassung von 2008 ist heute noch ein Viertel der Parlamentssitze für das Militär reserviert. Mit ihrem Veto kann die Armee jede wichtige Entscheidung blockieren, darunter geplante Verfassungsänderungen. Am 8. November sollen auch Regionalwahlen stattfinden.
International steht de-facto-Regierungschefin Suu Kyi wegen der Vertreibung und Unterdrückung der muslimischen Rohingya massiv in der Kritik. Wegen einer brutalen Militäroffensive waren Ende August 2017 mehr als 740.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflohen. Menschenrechtler werfen Suu Kyi vor, die Gräuel der Armee zu verteidigen. Bei Anhörungen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag im Dezember hatte sie den Vorwurf des Völkermordes gegen ihr Land zurückgewiesen.
(fides/diverse – gs)
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