Libanon: „Wir sind schon an Katastrophen gewöhnt…“
In Folge der verheerenden Explosionen in Beirut am Dienstag sollen 157 Menschen getötet und über 4.000 Personen verletzt worden sein. Die Schäden, die durch eine Explosion von Ammoniumnitrat ausgelöst wurden, haben weite Teile des Beiruter Stadtgebietes verwüstet, unter anderem auch das christliche Viertel, Klöster und Kirchen. Auch das Gebäude der Caritas-Libanon wurde beschädigt.
„Wir organisieren uns jetzt, soweit das möglich ist – vor allem die NGOs.“ Das sagt der Patriarchalvikar von Beirut, Samir Mazloum, im Gespräch mit dem katholischen französischen Radio RCF. Mazloum ist für die Nothilfe der maronitischen Kirche zuständig.
„Vom Staat ist leider nicht viel zu erwarten, er ist desorganisiert und hat keine Mittel mehr. Die Kirche bemüht sich nach Kräften, Hilfe zu leisten: Wir haben beschlossen, den Opfern unsere Klöster, Schulen, Zentren zur Verfügung zu stellen. Dort können jetzt Familien unterkommen, die ihr Zuhause bei der Explosion verloren haben und in den nächsten Wochen also nirgendwo hingehen können. Wir sorgen auch für ihre Ernährung und Medikamente. Leider sind die Familien auseinandergerissen worden und jetzt hier und da über die Stadt verteilt…“
Die Lage ist ziemlich unübersichtlich, die Auswirkungen der Explosionen noch nicht völlig zu erfassen. Laut Schätzungen sollen bis zu 300.000 Einwohner Beiruts obdachlos geworden sein. Die Chemie-Katastrophe wurde nach Angaben der örtlichen Sicherheitskräfte von 2.750 Tonnen brennbarem Salpeter ausgelöst, der im Hafen gelagert war. Schon vor dem großen Knall von Beirut lag der Libanon am Boden; es droht eine Hungersnot.
Die Mehrheit der Bevölkerung ist auf einmal mit Armut konfrontiert
„Leider folgen bei uns die Katastrophen einander auf dem Fuß. Wir haben sehr schwerwiegende Probleme in wirtschaftlich-finanzieller Hinsicht und auch, was die Politik betrifft. Ein fast völliges Chaos. Wir haben außerdem Corona mit allem, was das bedeutet – und jetzt diese weitere Katastrophe. Selbst diejenigen, die bis jetzt noch über einige Rücklagen verfügten, haben mittlerweile nichts mehr. Bei den Banken kann man kein Geld mehr abholen; die Mehrheit der Bevölkerung ist auf einmal mit Armut konfrontiert und braucht dringend Unterstützung. Die Pfarreien und Bistümer, die Caritas und das Rote Kreuz versuchen ihr Bestes, um zu helfen.“
Das christliche Viertel von Beirut, das ganz nah am Hafen liegt, ist fast völlig zerstört; die Bewohner haben ihre Wohnungen und Arbeitsplätze verloren. Mindestens zehn Kirchen liegen in Trümmern. „Durch die Explosion wurde dem christlichen Viertel von Beirut mehr Schaden zugefügt als in den langen Jahren des Bürgerkriegs“, sagt ein Priester.
„Wir sind im Libanon schon mehr oder weniger an Katastrophen gewöhnt, und jedes Mal kommt das Land wieder auf die Füße. Das hier ist jetzt vielleicht die zehnte oder fünfzehnte Prüfung in den letzten dreißig Jahren. Der vom Krieg zerstörte Libanon steht immer wieder auf. Wir setzen große Hoffnungen auf unsere jungen Leute, auf unsere Bevölkerung – und auch auf unsere Freunde im Ausland. Frankreich zum Beispiel hat uns noch nie im Stich gelassen…“
An den zwei kommenden Wochenenden wird im lateinischen Bistum Jerusalem besonders intensiv für die Opfer von Beirut gebetet; auch die Kollekte gilt ihnen. Die Kustodie des Heiligen Landes, die von Franziskanern verwaltet wird, hat eine Spendenkampagne für den bei der Explosion stark beschädigten Franziskanerkonvent in Gemmayzeh im Herzen Beiruts gestartet. Das etwa einen Kilometer Luftlinie von der Unglücksstelle entfernte Kloster und die dazugehörige Pfarre „waren immer ein fundamentales Hilfszentrum für die Stadt“, heißt es im Spendenaufruf. Im Irak hält die chaldäisch-katholische Kirche am Samstag einen Tag des Fastens und Betens für die Opfer von Beirut ab.
(rcf/vatican news – sk)
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