Kardinal Zenari zu Syrien: Es muss Hoffnung für das Land geben
Francesca Sabatinelli und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Vor den Diplomaten machte der Kardinal am Donnerstag einen eindringlichen Appell für Solidarität. Keiner könne sich allein retten, erklärte Zenari. Dies habe auch Papst Franziskus in seiner jüngsten Enzyklika „Fratelli tutti“ erneut betont. Wenn Zenari von Syrien erzählt, weiß er, wovon er spricht: Der päpstliche Nuntius in Damaskus lebt seit zwölf Jahren in dem Land.
Er berichtete, dass Armut und Krankheit immer weiter zunehmen: Nach dem weitgehenden Ende des Raketen-Beschusses leide die Bevölkerung nun unter der „Bombe der Armut". Elf Millionen Syrer bräuchten humanitäre Hilfe. Es handele sich um die schlimmste „humanitäre Katastrophe, die der Mensch seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat“.
Als weitere aktuelle Probleme nannte Kardinal Zanari einen Mangel an Personal im Gesundheitsbereich, den Kollaps der Pharmaindustrie und hohe Arbeitslosigkeit. Auch gebe es aufgrund der Zerstörung von Schulen und Wohnhäusern immer mehr „Geisterstädte“. Rund zwölf Millionen Menschen sind laut dem Kardinal Binnenvertriebene im eigenen Land; mehr als zwei Millionen Kinder können keine Schule besuchen.
Der Papst-Botschafter in Syrien verwies auch auf die Abwanderung gut ausgebildeter junger Leute, die Reintegration von Flüchtlingen sowie die Suche nach verschwundenen oder festgehaltenen Personen. Zehn Jahre Krieg hätten viele Opfer gefordert, nun jedoch bestehe die Gefahr, dass die Menschen auch die Hoffnung verlören. „Lassen wir die Hoffnung nicht sterben, sie darf nicht unter einem Mantel des Schweigens ersticken“, appellierte Kardinal Zenari.
Die Sanktionsfrage
Auch die gegen das Land verhängten Sanktionen treffen die Bevölkerung hart, so Kardinal Zenari. Das Schicksal Syriens scheine jedoch „vom Radar der Medien“ verschwunden zu sein. Der Papstbotschafter forderte langfristige Lösungen und Hilfe zur Selbsthilfe, damit das Land wieder auf die Beine kommen könne. Wenn die Wirtschaft nicht wieder in Schwung komme, werde es auch keinen Frieden in Syrien geben, erklärte der italienische Kardinal. Und die Zeit dränge. Mit Blick auf die „heikle Frage der Sanktionen gegen Syrien“ sagte Zenari, diese träfen vor allem die Zivilbevölkerung, „die aktuelle politische Führung in Damaskus“ werde so jedoch nicht geschwächt.
Wichtige Hilfe: Die „offenen Krankenhäuser”
Kardinal Zanari dankte internationalen Hilfsorganisationen, besonders denen der Vereinten Nationen, für ihre Hilfe und Unterstützung. Er berichtete auch von gelungenen Hilfsinitiativen der katholischen Kirche und der Hilfswerke in Syrien. Explizit erwähnte er hier das Projekt der „offenen Krankenhäuser“ in Damaskus und Aleppo, die jeden Kranken aufnehmen, unabhängig von finanzieller Situation oder Glauben. 17 Millionen Euro sind laut Zenari in dieses Krankenhausprojekt geflossen, das auch Papst Franziskus unterstützt. Auf drei Jahre angelegt stehe es nun vor dem Aus, daher sei dringend weitere finanzielle Hilfe nötig - erst Recht angesichts der Coronavirus-Pandemie, die nun als „weiterer Feind“ noch hinzukomme.
Anhaltendes Drama: Die Flucht der Christen
Neben allem Leid, dass er in Syrien beobachte, schmerze ihn besonders die Flucht vieler Christen, berichtete Zenari. Mehr als die Hälfte von ihnen hat seinen Worten nach das Land bereits verlassen. Zurück bleiben leere Kirchen. Der Exodus der Christen in Syrien sei eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft, da die Christen das Land in allen Sektoren bereicherten. Der Papstbotschafter in Syrien rief daher dazu auf, alles Mögliche zu tun, damit die Christen im Land bleiben können, um zum Frieden in Syrien beizutragen. Die Versöhnung sei ein bedeutender Auftrag aller Religionen des Landes.
Parolin: Nicht abstumpfen
Das Treffen des Nuntius mit seinen Botschafterkollegen hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin organisiert. Auch er erinnerte bei der Begegnung in der Neuen Synodenaula an die Not der Syrer. Die Bilder von verzweifelten Müttern, verhungerten und erfrorenen Kindern und entmutigten Vätern, die nach stundenlangem Marsch nicht rechtzeitig im Krankenhaus ankommen, um ihre Kinder zu retten, seien Beispiele des Horrors. Es bestehe die Gefahr, immer mehr abzustumpfen und nur noch mit Schweigen und Gleichgültigkeit zu reagieren, warnte Kardinal Parolin.
(vatican news - sst)
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