Haiti: Auch Kirche fordert Präsident Moïse zum Rücktritt auf
In einer am Dienstag veröffentlichen Stellungnahme der Haitianischen Bischofskonferenz heißt es, „niemand stehe über dem Gesetz und der Verfassung“. Der Präsident habe das Wahlgesetz in der Vergangenheit mehrmals angewendet und damit auch für sich akzeptiert, so die Bischöfe. Die ganze Welt wolle, dass Haiti ein Rechtsstaat sei.
Die Bischöfe gingen auch auf die Welle der Kriminalität ein, die das bettelarme Land erschüttere. Haiti stehe an der Grenze einer Explosion. „Der Alltag der Menschen bestehe aus dem Tod, Morden, Straflosigkeit und Unsicherheit.“
Straßenblockaden und Proteste
Präsidentenberater Stanley Lucas kritisierte im Kurznachrichtendienst Twitter die Empfehlung der Bischöfe: Die katholische Kirche ziehe es vor, einer Koalition der Oligarchen beizutreten, die das bestehende System schützen wolle, anstatt Demokratie, Reformen und Modernisierung zu begleiten, schrieb Lucas.
Die haitianische Opposition und zahlreiche Organisationen aus der Zivilgesellschaft Haitis hatten zuletzt zu einem Generalstreik aufgerufen, den weite Teile der Bevölkerung auch befolgten. In mehreren Städten errichteten die Regierungsgegner am Wochenende Straßenblockaden. Die Proteste sollen mindestens bis 7. Februar anhalten: Dann endet nach Lesart der Regierungskritiker die vierjährige Amtszeit von Staatspräsident Moïse. Sie berufen sich dabei auf einen Artikel der Verfassung aus dem Jahr 1987.
Moïse interpretiert die Verfassung anders
Moïse hingegen interpretiert die Verfassung anders und geht von einer Amtszeit von fünf Jahren aus. Er kündigte ein Verfassungsreferendum für das Frühjahr an und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die USA und weitere Länder stehen bislang hinter dieser Sichtweise.
Haiti ist seit Monaten in einer Spirale von Krisen und Streiks gefangen. Zuletzt sorgte ein umstrittener Polizeistreik für Unruhe, danach legte ein Streik der Staatsanwälte das Justizsystem des Landes lahm. Hinzu kamen Proteste von Studenten, die zuletzt gegen die Ermordung eines Professors und dann gegen die brutale Vergewaltigung einer Schülerin demonstrierten. Die Corona-Krise sorgte zudem für einen wirtschaftlichen Einbruch.
Fast die Hälfte der haitianischen Bevölkerung benötigt nach einer jüngsten Einschätzung des UNO-Büros für humanitäre Angelegenheiten humanitäre Hilfe. Die Ernährungsgrundlage von rund 4,1 Millionen Menschen sei in Folge der Corona-Pandemie nicht sichergestellt.
(kap/kna – sk)
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