Kindersoldaten: Langer Weg zurück in die Normalität
Damit sei „unermessliches Leid“ verbunden, erklärte der Salesianerbruder Lothar Wagner, ein Projektpartner der österreichischen NGO, am Dienstag in einer Pressemitteilung zum Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldaten („Red Hand Day“) am 12. Februar.
Wagner hat im Südsudan zwei Anlaufstellen und ein Don-Bosco-Rehabilitationszentrum für von Milizen zwangsrekrutierte Kinder aufgebaut. Derzeit ist er in Liberias Hauptstadt Monrovia als Sozialarbeiter und Seelsorger im Jugendgefängnis im Einsatz.
Immer wieder erzählen ehemalige Kindersoldaten von entsetzlichen Erlebnissen, berichtet der Ordensmann: „Sie mussten zusehen, wie Männer erhängt und Frauen vergewaltigt wurden, sie mussten selbst töten, damit die Erwachsenen Beute machen konnten.“
Auch für jene Kinder, denen der Ausstieg gelang und die sich in Rehabilitation befinden, sei der Weg zurück zu einem halbwegs normalen Leben ein langer: „Manche sitzen den ganzen Tag unter einem Baum und starren in die Gegend, andere sagen kein Wort und weinen ständig, wieder andere sind aggressiv und hyperaktiv“, so Wagner.
Im Rehabilitationszentrum werde auch versucht, die Kinder wieder zu ihren Familien zu bringen – „was mitunter schwer fällt, wenn der eigene Vater einst seinen Buben rekrutiert hat“, so der Salesianer.
Kämpfer, Kuriere, Spitzel, Bräute
„Kinder dürfen in Auseinandersetzungen, die Erwachsene führen, auf keinen Fall hineingezogen werden, egal in welcher Form“, betonte „Jugend Eine Welt“-Geschäftsführer Reinhard Heiserer. Kinder würden als Kämpfer bzw. Kämpferinnen benutzt, ebenso aber auch als Kuriere und Spitzel eingesetzt oder müssten für Aufgaben wie Kochen und Putzen herhalten. Gerade Mädchen würden zudem sexuell geschändet oder gar als „Bräute“ der Anführer missbraucht.
Die Rekrutierung und Verwendung von Kindern in Regierungstruppen oder diversen Milizen gilt international als eine von sechs schweren Kinderrechtsverletzungen - neben dem Töten und Verstümmeln von Kindern, der sexuellen Gewalt sowie dem Angriff auf Schulen und Krankenhäuser. Im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) haben praktisch alle Länder dieser Welt versprochen, den Einsatz von Kindersoldaten als eine der schlimmsten Formen von Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 völlig zu beenden. Auf dieses Ziel bewegt man sich in einigen Ländern offensichtlich nur sehr zögerlich zu, so die Einschätzung des auf Unterstützung weltweiter Don-Bosco-Projekte spezialisierten Hilfswerks.
Zaghafte Fortschritte
Einige Fortschritte im Kampf gegen diese Praxis gibt es immerhin – das wird mit Verweis auf den jüngst veröffentlichten Bericht „Kinder in bewaffneten Konflikten“ der UN-Sonderbeauftragten Virginia Gamba ausgeführt. So sei etwa im Südsudan - wo sich nach UNO-Schätzungen 2019 noch Tausende Kinder in den Händen einer der gut 60 Konfliktparteien befanden - im Vorjahr ein Aktionsplan zur Vermeidung aller schwerwiegender Verstöße gegen Kinder von der Regierung und vielen Beteiligten gebilligt worden.
In der benachbarten Zentralafrikanischen Republik, wo es ähnliche Aktionspläne gibt, wurden letztes Jahr über 240 Kinder aus kämpfenden Gruppierungen befreit und ein Kinderschutzgesetz verabschiedet, das Rekrutierung von Kinder ebenso unter Strafe stellt wie die Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe. Kinder in bewaffneten Einheiten werden zudem nun auch in Zentralafrika dezidiert als Opfer bezeichnet.
Der Kindersoldat, der zum Rebellenführer wurde
Als Meilenstein im Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten sowie als deutliches Signal an potenzielle oder tatsächliche Täter gilt die jüngste Verurteilung des ehemaligen ugandischen Rebellenführers Dominic Ongwen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Mehr als fünf Prozessjahre waren diesem Urteil vorausgegangen.
Der frühere Kommandant der - missbräuchlich sich auf das christliche Bekenntnis berufenden - „Lord's Resistance Army“ (LRA) war selbst im Alter von neun Jahren verschleppt und zum Kämpfer ausgebildet worden. Unter seiner Ägide sollen unter anderem Tausende Kinder entführt, mit brutalen Methoden zu Soldaten gemacht und Mädchen als Sexsklavinnen missbraucht worden sein.
„Jugend Eine Welt“ unterstützt bereits seit langem Hilfsprojekte zur Rehabilitation von Kindersoldaten, darunter etwa das Kinderschutzzentrum „Ciudad Don Bosco“ im kolumbianischen Medellin. In Kolumbien hätten zwar mit dem 2016 abgeschlossenen Friedensabkommen mit der größten Guerillagruppe FARC alle gegen Kinder gerichtete Aktionen allmählich verschwinden sollen, doch würden Menschenrechtler immer wieder berichten, dass sich verschiedene kleinere Gruppen nicht an die Vereinbarung halten und weiter Kinder rekrutieren.
(kap – sk)
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