Irak: „Der Papst kann Mut machen“
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Als ihn Papst Johannes Paul II. am 19. März 2001 als seinen Sonderbeauftragten in den Irak schickte, wusste der italienische Kirchenmann noch nicht, dass auf den Tag genau zwei Jahre später dort ein blutiger Krieg ausbrechen würde. Als einziger ausländischer Diplomat blieb er während des Irakkriegs in Bagdad. Das trug ihm sogar einen Spitznamen ein: „Nuntius Courage“.
„Ich hatte dort eine Nation vorgefunden, die vor großen Schwierigkeiten stand,“ lässt der italienische Kardinal seinen ersten damaligen Eindruck Revue passieren. „Die Sanktionen, die man gegen den Irak verhängt hatte, machten den Leuten das Leben schwer: Für die Kinder gab es oft keine Medizin; die Krankenhäuser waren in einem fürchterlichen Zustand.“
„Nuntius Courage“
Die Ängste und Nöte der ihm anvertrauten Menschen nicht zu teilen, sei für ihn nie eine Option gewesen – auch nicht, als die ersten Bomben fielen:
„Wir haben darum gebeten, die Kirchen, Seminare und Schulen offenhalten zu dürfen, haben den Menschen unsere Schutzräume angeboten, damit jeder, der Angst vor den Bombardierungen hatte, bei uns Schutz finden konnte. Viele Menschen sind nachts in die Kirchen gekommen, haben eine Matratze mitgebracht und sind bei uns geblieben. Das waren Momente, in denen Christen und Muslime wahre Geschwisterlichkeit erlebt haben,“ erinnert sich Filoni und berichtet, man habe ihm erzählt, dass sie manchmal sogar christliche Lieder miteinander gesungen hätten, „weil auch die Muslime die christlichen Lieder mochten.“
Es sei eine schwierige Zeit gewesen. „Terroranschläge waren damals an der Tagesordnung Zu unseren Ordensfrauen habe ich immer gesagt: „Solange wir den Lärm der Bomben hören, sind wir noch am Leben. Wenn wir ihn nicht mehr hören, dann heißt das, dass wir bei Gott sind....”
Oft habe man tagelang keinen Strom gehabt, hätte wegen der Ausgangssperre nicht gewusst, wie man sich etwas zu Essen beschaffen soll. Doch gerade das habe die Menschen zusammengeschweißt, weil ja jeder im Irak diese Probleme gehabt habe. Doch man habe nie das Gottvertrauen verloren.
„Im Irak gibt es einen Ausdruck, den wir in der westlichen Welt nicht kennen: inshallah.... was soviel bedeutet wie: so Gott will. Und das kann schließlich auch bedeuten: Gott wird uns beschützen. Was wir erleben, sind die Folgen menschlichen Handelns; es ist nichts, das von Gott kommt.“
Die Wiege des Christentums leert sich...
In dem Land, das Papst Franziskus besuchen wird, machen die Christen nur noch eine schwindend kleine Minderheit aus. Vor einigen Jahrzehnten lebten dort noch rund 1,5 Millionen Christen.
„Oft frage ich befreundete Christen im Irak, warum sie weggehen wollen,“ erzählt der Vatikan-Diplomat. „Und sie antworten mir dann, dass sie keinen anderen Ausweg sehen, dass Angehörige von ihnen getötet wurden; sie kein Geld, keine Arbeit haben. Sie machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Das sind die Gründe, warum viele meinen, den Irak verlassen zu müssen. Erst wenn Frieden herrscht, wird es auch wieder Fortschritt und Arbeit geben. Und dann werden die Menschen auch bleiben.“
Doch gerade in Sachen Frieden gebe es in dem Land noch viel zu tun, beklagt Filoni. Und diese Hilfe müsse nicht nur von innen – also vom Irak selbst –, sondern auch von außen kommen, so sein Appell. Vor diesem Hintergrund komme der Besuch des Papstes zwar in keinem einfachen Moment, aber zu einer Zeit, in der die Menschen dringend eine Botschaft der Hoffnung bräuchten. Und eine erste Botschaft in dieser Richtung könne – wie der Kardinal meint – in Ur ergehen.
„Es könnte eine Gelegenheit sein, den Angehörigen der monotheistischen Religionen zu sagen: Wir glauben an einen Gott. Darin können wir uns als Geschwister erkennen. Der Heilige Vater war ja schon bei den sunnitischen Muslimen – jetzt hat er die Gelegenheit, die schiitischen Muslime zu besuchen. In Bagdad dagegen, wo der Heilige Vater in der Kathedrale, in der vor ein paar Jahren Menschen getötet wurden, die chaldäische und die syrisch-katholische Gemeinde treffen wird, kann er Mut machen, ein Hoffnungsträger sein. Und das gilt auch für die Minderheiten im Norden des Landes, die Jesiden, die Schabak – und alle anderen Minderheiten. Die Christen sind ja auch eine Minderheit. Ich bin mir also sicher, dass es eine starke Botschaft für alle sein wird,“ so das Fazit des Vatikan-Diplomaten, dem irakische Muslime bei seinem Abschied vom Irak zum Zeichen ihrer Wertschätzung ein Kreuz geschenkt haben.
(ewtn/vaticannews – skr)
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