Südafrika/D: Priester kritisiert RKI-Einstufung
DOMRADIO.DE: Zunächst haben Sie jüngst das Bundesverdienstkreuz erhalten. Was bedeutet Ihnen ganz persönlich diese Auszeichnung?
Stefan Hippler (Katholischer Priester und Gründer des HIV-Kinderprojektes „Hope Cape Town“): Ich war überrascht, weil ich von offizieller Seite eher gewöhnt bin, erst mal „einen drauf“ zu kriegen für das, was ich tue, speziell was Kirche angeht. Aber es war danach ein schönes Gefühl. Es ist natürlich schön, 22 Jahre Arbeit gewürdigt zu bekommen.
Und vor allen Dingen habe ich mich für meine Mitarbeiter gefreut. Hier in Südafrika haben die Mitarbeiter echt mitgefiebert, mitgefeiert. Die waren Teil dieser Würdigungen und haben sich auch so verstanden. Das war natürlich ein unheimlicher Boost für die Moral der Truppe, die ja seit März letzten Jahres, seit dem Covid-Lockdown ununterbrochen arbeiten muss: in den Kliniken, als Gesundheitsarbeiter und kaum eine Pause hatten. Das war wohlverdient!
DOMRADIO.DE: Seit 1997 sind Sie Priester in Kapstadt. Und Südafrika ist ja aktuell besonders wegen der neuen Mutante des Corona-Virus in den Medien sehr präsent. Wie ist die Situation aktuell?
Hippler: Überraschenderweise wesentlich besser, als es in Deutschland berichtet wird. Wir haben einen Inzidenzwert von 14,1 und wir haben momentan 1.000 Neuinfektionen, das heißt, die sogenannte Südafrika-Mutante ist bei uns nicht so aktiv, die Mutante liest zum Glück auch keine deutschen Zeitungen.
Es ist im Grunde unfair: Man muss das einfach mal klarstellen. Die Südafrikaner waren in einem gut. Nämlich sie waren gut, genau zu sehen, welche Mutationen entstehen. Sie haben diese sogenannte Südafrika-Mutante entdeckt. Daraufhin haben die Briten nachgeschaut und haben ihre britische entdeckt. Dann kamen die Deutschen und haben gesagt „Oh, wir müssen auch was tun“. In der Konsequenz heißt sie jetzt Südafrika-Mutante und damit ist Südafrika natürlich auch reisemäßig vollkommen ins Abseits gedrängt.
Das RKI, das deutsche Robert-Koch-Institut, stuft uns als hochgefährlich ein, was für unsere Industrie, für unseren Tourismus zum Beispiel, eine Katastrophe ist. Das heißt, wir werden bestraft, dass wir auf diesem Gebiet besonders gut waren, die Dinge genau in den Griff zu bekommen.
DOMRADIO.DE: Ein Blick auf die Impfstrategie im Land: Wie sieht es da in Südafrika aus?
Hippler: Das kann man nur mit Katastrophe und Skandal umschreiben. Katastrophe, weil wir immer noch keine Impfstrategie haben. Wir haben irgendwann mal Impfstoff bestellt und haben vor sechs Wochen 1,5 Millionen Dosen Astrazeneca bekommen. Die Regierung hat dann beschlossen, der Impfstoff sei nicht gut genug und gesagt: „Wir wollen anderen haben“. Wir sind im Moment nur in einer Phase-3-Studie von Johnson und Johnson.
Wir kriegen alle 2-3 Wochen 80.000 Dosen, die dann an Gesundheitsarbeiter und an Ärzte und teilweise unfairerweise auch an deren Familien verimpft werden. Das heißt, für die Masse der Leute ist im Prinzip noch nichts da. Es ist auch von Regierungsseite her nichts geplant. Das ist skandalös! Wenn wir so weitermachen, lautet eine Prognose, brauchen wir 16 Jahre, bis wir eine Herdenimmunität haben.
DOMRADIO.DE: Skandal und Katastrophe, wie Sie sagen, überdecken ja mit Sicherheit auch andere Themen, nämlich zum Beispiel Ihre wichtige Arbeit. Geht das Land bei der HIV/Aids-Prävention gerade wieder Schritte zurück?
Hippler: Ja, in der Tat, es geht Schritte zurück und wir sehen das ganz deutlich im Tygerberg-Krankenhaus Kapstadt, wo wir auch auf der Entbindungsstation aktiv sind. Wir sehen mehr und mehr HIV-positive Babys, die geboren werden. Das heißt, die Frauen gehen nicht ins Hospital, um Vorsorgeuntersuchungen zu machen und all das zu tun, was sie tun sollen, sondern sie kommen dann nur zur Entbindung.
Die Anzahl der HIV-positiven Babys steigt wieder dramatisch. Das ist natürlich ein riesen Rückschritt, aber es gilt auch für andere Krankheiten. Menschen haben Angst, ins Krankenhaus zu gehen, weil es immer nur ein Thema gibt - „Covid! Covid!“, „Corona! Corona!“. Das hindert natürlich viele daran, medizinische Hilfe zu suchen.
Das Interview führte Carsten Döpp.
(domradio - mg)
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