Syrien: Eine vorhersehbare Präsidentschaftswahl
Die syrischen Staatsangehörigen im Ausland konnten bereits am 20. Mai wählen; was ihre im Lande verbliebenen Landsleute betrifft, so können sie dies nur an diesem Mittwoch tun. Für die durch Konflikt, Wirtschaftskrise und Armut erschöpften Syrer gehe es in erster Linie ums Überleben und nicht darum, sich über eine Wahl aufzuregen, deren Ausgang keine Überraschungen berge, so der Syrien-Experte Fabrice Balanche, Professor an der Universität Lumière Lyon II gegenüber Radio Vatikan:
„Es geht der jetzigen Regierung darum, ihre Befürworter zu mobilisieren und dann Verbindungen durch Verwandtschaft zu schaffen, damit es eine Gruppe in der Bevölkerung gibt, die weiterhin die Menschen dazu drängt, den Willen der Regierung zu erfüllen. Es ist also völlig egal, was jetzt konkret herauskommt, weil die Ergebnisse sowieso verfälscht werden, aber es geht darum, die Leute dazu zu bringen, an der Abstimmung teilzunehmen, um ihnen dieses System als das einzig mögliche aufzuzeigen.“
System als das einzig mögliches erscheinen lassen
Viele hätten vor zehn Jahren gedacht, die Revolte in Damaskus würde die Regierung wegfegen wie bei Ben Ali in Tunesien oder Mubarak in Ägypten, aber heute sei Assad immer noch da, so der Experte. Abgesehen von der Unterstützung durch den Iran und Russland müsse man die Stellung Assads im heutigen Syrien unter vielen komplexen Gesichtspunkten betrachten:
„Viele naive Politiker in Syrien wollten ihre Wünsche für Realitäten halten, was aber falsch war. Doch die Assad-Partei hatte einen großen Rückhalt in der syrischen Bevölkerung, vor allem bei den Minderheiten, und da insbesondere bei den Alawiten und Christen. Die Opposition schließlich spaltete sich dann sehr schnell.“
Keine glaubwürdige Alternative
Die politischen Kräfte des radikalen Islam stellten wiederum keine glaubwürdige Alternative für den Westen, sodass Baschir al-Assad weiterhin an der Macht blieb.
„Und dann kam auch ein anderer Fehler der politischen Unterstützung und zwar die Unterschätzung des russischen Einflusses. Hinzu kam dann die militärische Unterstützung mit etwa 50.000 Milizionären aus Teheran. Es wäre sonst schwierig, zwei Drittel des Territoriums zu halten, ohne den Schutz der russischen Luftwaffe und Artillerie zu haben und es wäre auch extrem schwierig, weiterhin an die Macht zu sein, ohne den diplomatischen Schutz zu haben, den die Russen bieten.“
Deshalb nenne Balanche das heutige Syrien eine Art russisch-iranisches Protektorat. Assad werde weiterhin sehr deutlich machen, dass er niemals eine von außen auferlegte Lösung für Syrien akzeptieren werde, fügt der Experte an.
Genfer Friedensprozess
„Ich denke dabei an den Genfer Prozess, der völlig festgefahren ist und sich kein Jota bewegt hat. Es ist also sinnlos, über eine neue Verfassung für Syrien nachzudenken. Baschir al-Assad und seine Regierung wollen sie nicht, denn er steht unter der Vormundschaft der Russen und Iraner, so dass er eine klare politische Botschaft sendet, aber auf der anderen Seite wird er verpflichtet sein, eine Lösung für die Krise zu akzeptieren. Wir sehen, dass er Schwierigkeiten hat, den Norden Syriens zurückzuerobern: Der Norden wird von Kurden und von den Türken in Schach gehalten, daher wird es vielleicht notwendig sein, an eine föderale Lösung zu denken, um eine politische Formel zu finden, die eine Teilung vermeidet.“
Al-Assad hatte die Wahl 2014 mit 88 Prozent der Stimmen gewonnen. Nur zwei Gegen-Kandidaten haben diesmal vom Obersten Verfassungsgericht grünes Licht bekommen: Abdallah Salloum Abdallah, ein Parlamentsmitglied und ehemaliger Minister, und Mahmoud Marei, ein Mitglied der Syrischen Demokratischen Front, einer politischen Gruppe, die von Damaskus toleriert, aber von der Opposition im Exil nicht anerkannt wird. Von Beobachtern als Betrug qualifiziert, wurde diese Wahl bereits von der internationalen Gemeinschaft abgelehnt.
(vatican news - mg)
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