Kolumbien: Am Dialog führt kein Weg vorbei
„Die Demonstrationen begannen am 28. April und seitdem haben sie nicht mehr aufgehört, sie finden fast täglich in verschiedenen Städten statt“, erklärte Bischof Elkin Fernando Álvarez Botero von Santa Rosa de Osos. Besonders betroffen seien die Regionen von Cauca, Cali und Medellín, darüber hinaus auch die Hauptstadt Bogotá und andere große Städte: „Generell hat es im ganzen Land Demonstrationen gegeben.“
Anfangs wurde gegen eine beabsichtigte Steuerreform demonstriert, die daraufhin zurückgezogen wurde, was aber die Kundgebungen nicht stoppte. Inzwischen, so der Generalsekretär der kolumbianischen Bischofskonferenz, geht es um das große Ganze, das Zusammenleben im Land, die Anerkennung sozialer Rechte, die in Kolumbien traditionell vernachlässigt oder vergessen wurden.
„Es ist wahr, dass nicht alle Probleme, die hinter diesen Protesten stehen, wirtschaftlicher Natur sind, aber sie berühren stark die Wirtschaft“, so der Bischof. Kolumbien müsse sicherstellen, „dass das Land ein Zuhause und eine Heimat für alle sein kann. Dass alle Menschen Möglichkeiten haben, Zugang zur Grundversorgung, zu dem, was die Rechte und würdige Lebensbedingungen für alle sind.“ Kolumbien ist ein Land mit gigantischen Einkommensunterschieden; die Pandemie trieb diese Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Die Zahl der Armen hat sich offiziellen Zahlen zufolge in einem Jahr verdreifacht.
Dennoch: Den Friedensprozess zwischen Regierung und ehemaligen FARC-Rebellen sieht der Sprecher der Bischöfe durch die Unruhen nicht direkt in Gefahr. „Die Umsetzung dieser Vereinbarungen von 2016 im Friedensprozess mit der FARC-Guerilla schreitet voran“, sagte er. Mit Schwierigkeiten zwar, beide Seiten klagten über die noch fehlenden Punkte oder die Art der Umsetzung. Aber eine zusätzliche Herausforderung für den Friedensprozess seien die Unruhen sehr wohl: „Die Lage fordert uns auf, den Blick zu weiten und bei der Umsetzung dieser Vereinbarungen schneller voranzukommen, auch indem wir den Frieden mit anderen Sektoren suchen, was notwendig ist. Ich denke, dass es noch eine Verzögerung oder eine zusätzliche Unterscheidung geben kann, aber wir hoffen, dass der Friedensprozess weitergeht und dass er sogar gestärkt werden kann, wenn man die ganze Situation bedenkt, in der wir leben.“
Für das Friedensabkommen, das 2016 einen Schlussstrich unter mehr als 50 Jahre Bürgerkrieg in Kolumbien setzte, erhielt der damalige Präsident Juan Manuel Santos den Friedensnobelpreis, und Papst Franziskus besuchte im Jahr darauf das Land, um es in seiner Suche nach Frieden und Versöhnung zu bestärken – offenbar mit Erfolg.
Inzwischen steht mit Iván Duque ein rechtskonservativer Präsident an der Spitze Kolumbiens, der zunächst wenig Verständnis für die Nöte der Demonstrierenden zeigte. Er rückte sie in die Nähe von Terroristen und kriminellen Banden, verurteilte inzwischen aber auch Fälle von Polizeigewalt. Die Lage ist kritisch, je mehr Tote bei den Ausschreitungen zu beklagen sind, und wie es weitergeht, bleibt vorerst offen.
Am Dialog, am Zuhören, aber auch an der Gewaltfreiheit führe in dieser Gemengelage kein Weg vorbei, insistiert der Generalsekretär der Bischofskonferenz. Zugleich lenkt er den Blick auf die Pandemie, die in Kolumbien bereits 88.000 Todesopfer gefordert hat. „Zweifellos hat es aufgrund der Demonstrationen viele Ansteckungen gegeben“, so der Bischof. „Wir haben auch zur Vorsicht aufgerufen, um dieser Realität Rechnung zu tragen, zusätzlich zu dem Leiden und der Erschöpfung des medizinischen Personals.“ Es gebe ein „Recht auf friedliche Demonstration, das immer anerkannt und garantiert werden muss, aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir ein kritisches Szenario in Bezug auf die Pandemie erleben“.
(vatican news – gs)
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