Frankreich: Es knirscht zwischen Staat und Kirche
Zwar hatte Präsident Emmanuel Macron Dialog, Zuhören und einen breiten Konsens versprochen. Doch das Gesetz wirkt wie „der Triumph einer Ideologie“, so sagt es der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, nicht ohne Bitterkeit. Auch Single-Frauen und lesbische Paare dürfen sich künftig ihren Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung erfüllen; die Kasse zahlt das. Nebenbei wird auch die Embryonen- und Stammzellforschung liberalisiert.
„Der Arzt wird zu einem Techniker“
„Das neue Gesetz zur Bioethik macht mich sehr traurig“, sagt uns de Moulins-Beaufort jetzt in einem Interview in Paris. „Da wird den Menschen versprochen, dass sie ihren Schmerz überwinden und ein Kind bekommen können – aber in Wirklichkeit wird hier die Zeugung von Kindern von der körperlichen Vereinigung von Mann und Frau weiter abgekoppelt. Dabei glauben wir, dass der würdige Ort für die Entstehung menschlichen Lebens die körperliche Vereinigung eines Mannes und einer Frau ist, die sich einander hingeben und sich für das ganze Leben aufeinander einlassen.“
Der Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, formuliert das noch schärfer – er hat zwölf Jahre lang als Arzt gearbeitet, bevor er Priester wurde. Der Arzt werde „zu einem Techniker“, und die Medizin mache sich vom Markt der künstlichen Befruchtung abhängig, auf dem es um viel Geld gehe. Kinder seien aus dieser Sicht nur noch ein „Produkt“.
„Die Fortpflanzung wird zunehmend von der Vereinigung der Körper abgekoppelt, zugunsten technischer Prozesse“, so de Moulins-Beaufort in unserem Interview. „Wir sind überzeugt, dass dies unweigerlich einen Dammbruch bedeutet. Mit diesem Gesetz werden im Namen der Freiheit der Forschung rote Linien überschritten. So wird der Mensch immer mehr zum Material, in das zum vermeintlichen Wohl aller eingegriffen wird – er wird zu einem Ding im Labor gemacht.“
Laizismus und Misstrauen
Auch mit einem weiteren, großen Gesetzespaket, das die Regierungsmehrheit in der Nationalversammlung gerade geschnürt hat, ist die katholische Kirche unzufrieden. Es heißt „Gesetz zur Stärkung republikanischer Prinzipien“, damit will das laizistische Frankreich den radikalen Islam in Schach halten. Präsident Macron ist in dieser Hinsicht ein Getriebener der Rechtsnationalisten von Marine Le Pen, seiner vielleicht wichtigsten Gegnerin bei den Wahlen im nächsten Jahr. Religiöse Verbände sollen sich künftig - das ist eine der Neuerungen – zu den Werten der Republik bekennen müssen.
„Die Regierung will diese Vereinigungen stärker überwachen oder kontrollieren“, erklärt uns der Erzbischof. „Eigentlich war es gute französische Tradition, dass Bürger, die sich zu einem bestimmten Zweck zusammenschließen, ein gewisses Vertrauen genießen. Heute hingegen müssen Bürger, die sich aus Gründen der Religion zusammenschließen, erst einmal beweisen, dass sie bereit sind, sich an das Gesetz zu halten – als wäre das etwas Unnormales.“
Kollateralschaden
Die Bischofskonferenz sei „betrübt und beunruhigt über diesen Wandel in der Philosophie“, der nicht nur islamische, sondern eben auch katholische Verbände trifft: „von der Freiheit zur Kontrolle, vom Vertrauen in die Bürger zum Misstrauen. Das heikle Thema des Laizismus wird in Frankreich wieder einmal diskutiert.“ Und wann immer sich Parlamentarier Maßnahmen gegen Verschleierung oder Halal-Essen in der Schulmensa einfallen lassen, sind schnell andere Religionen mitbetroffen. Ein Kollateralschaden, sozusagen.
Immerhin – bei diesem Gesetz wurden die Bischöfe von Anfang an konsultiert, sagt der Erzbischof von Reims. „Wir waren in der Lage, Kommentare abzugeben, und viele unserer anfänglichen Kommentare sind berücksichtigt worden. Wir hatten auch Anmerkungen zum Inhalt des Gesetzes – die wurden aber nicht weiterverfolgt, weil die Regierung an ihrem Projekt festhält.“
Eine elegante Formulierung: Sie gibt zu erkennen, dass es aus Kirchensicht besser gewesen wäre, die Regierung hätte auf das Vorhaben ganz verzichtet.
(vatican news – sk)
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