Nicaragua: Kirche sieht keine Chance auf demokratische Wahlen
Ein Wahltag müsste ein ziviles Fest sein, heißt es in einer Erklärung der Hauptstadtdiözese, aus der das regierungskritische Portal „Confidencial" dieser Tage zitierte. Stattdessen herrschten in Nicaragua Angst und Ungewissheit, weil es in Nicaragua keine Bedingungen für demokratische Wahlen gebe. Das Volk habe das Recht, zwischen verschiedenen politischen Meinungen zu entscheiden. Doch das sei nicht möglich, denn die Kandidaten der Opposition seien vom Wahlprozess ausgeschlossen, verhaftet und ihrer Bürgerrechte beraubt worden.
In den vergangenen Wochen hat das Regime des sandinistischen Präsidentenpaares Daniel Ortega und Rosario Murillo sieben voraussichtliche Präsidentschaftskandidaten der Opposition festgesetzt und eingesperrt. Der bereits offiziell eingeschriebenen Vize-Präsidentschaftskandidatin Berenice Quezada sei das Recht entzogen worden, an den Wahlen teilzunehmen. So bleibt am Ende nur noch ein aussichtsreicher Kandidat übrig: Daniel Ortega selbst. Der amtierende linksgerichtete Präsident war bereits bei den letzten Wahlgängen mit nicht verfassungskonformen Aktionen gegen Rivalen vorgegangen.
Die jüngsten Vorfälle hätten innerhalb der Bevölkerung große Enttäuschung, Schmerz und Ohnmacht ausgelöst, beschreibt die katholische Kirche die Gemütslage in dem mittelamerikanischen Land. Zeitgleich melden Menschenrechtsorganisationen die Zunahme von Fluchtbewegungen aus Nicaragua. Viele Menschen hätten die Hoffnung verloren und sich entschlossen, das Land zu verlassen. Es gebe eine Welle der Migration von Nicaraguanern, in ihrer Mehrheit junge Menschen, die gezwungen seien, ihre Heimat wegen Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Ungewissheit über die Zukunft des Landes zu verlassen, heißt es dazu auch seitens der Kirche.
Auch Kirche Zielscheibe des Regimes
Laut zivilgesellschaftlichen Organisationen befinden sich derzeit 140 politische Gefangene in den Haftanstalten Nicaraguas. Darunter 30 Aktivisten, Kandidaten, Intellektuelle, sandinistische Ex-Guerilleros und ehemalige Mitstreiter Ortegas, Unternehmer und Journalisten. Andere politische Meinungsführer haben in Costa Rica oder den USA um Asyl gebeten.
Auch die katholische Kirche ist offenbar zur Zielscheibe des Regimes geworden. Die kirchliche Kommission berichtet über Drohungen, Beleidigungen von Priestern und Bischöfen. Ausländischen Geistlichen seien bei der Visa-Beschaffung Steine in den Weg gelegt, Laien gezielt eingeschüchtert worden.
Scharfe Kritik aus Zivilgesellschaft
Die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli hatte nach der jüngsten Verhaftungswelle gegen Oppositionelle und Regimekritiker dem in ihrem Heimatland regierenden Präsidentenpaar vorgeworfen, jegliche Rationalität verloren zu haben. Präsident Ortega und seine als Vizepräsidentin amtierende Ehefrau Rosario Murillo seien „verstörte Menschen", sagte die in Nicaragua lebende Autorin. Die Ortega-Familie kontrolliert die Regierung, darüber hinaus wirken Kinder des Paares an entscheidender Stelle in Konzernen von Medien und Wirtschaft.
Zuletzt sorgte ein neues Gesetz für scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft: Es verbietet sogenannten „Verrätern", für ein öffentliches Amt zu kandidieren oder dies zu bekleiden. Wer dabei ein Verräter ist oder was einen Verrat ausmacht, bleibt vage. Dieser Ermessensspielraum aber ermögliche es der Regierung und einer regierungsnahen Justiz, aussichtsreiche Bewerber aus der Opposition kurzfristig aus dem Verkehr zu ziehen, kritisierten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen. Jose Miguel Vivanco, Amerika-Direktor von Human Rights Watch, erklärte: „Mit diesem Gesetz gibt es wenig bis gar keine Hoffnung auf freie und faire Wahlen in Nicaragua."
Nicaragua erlebt seit April 2018 eine Krise mit landesweiten Protesten gegen die Regierung Ortega. Seit Beginn kamen rund 350 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Nicaraguas Kirche kritisierte immer wieder die Menschenrechtsverletzungen der Regierung, bisher offenbar vergeblich.
(kap – gs)
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