Hände eines Indigenen in Lateinamerika Hände eines Indigenen in Lateinamerika 

Nicaragua: „Ihr Leid spielt keine Rolle“

Der Schrecken ist groß nach der Bluttat in Nicaragua. Mehrere Indigene sind in dem mittelamerikanischen Land getötet worden; Erwachsene wie Kinder. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art - und wohl nicht der letzte.

Die Bilder sind nur schwer zu ertragen. Aufgenommen wurden die Fotos und Videos von dem Massaker wohl von den Tätern selbst. Sie zeigen enthauptete Menschen, grausam zugerichtete Leichen und geschändete sterbliche Überreste der Opfer. Passiert ist das alles in Nicaragua. Genauer gesagt auf dem Kiwakumbaih, einem Hügel, der als eine heilige Stätte und zugleich traditionelles Jagd- und Fischereigebiet der indigenen Bevölkerung gilt.

Brutales Massaker

Es sei nicht das erste Verbrechen dieser Art, sagt die Mitarbeiterin einer kirchlichen Organisation der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Telefon. Wie so viele, die sich in dem Land für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzen, hat sie Angst öffentlich über den Fall zu sprechen. Diesem Druck sieht sich die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Deutschland freilich nicht ausgesetzt. In einer Stellungnahme verurteilt das Hilfswerk „das brutale Massaker an mindestens 13 indigenen Mayangna und Miskito, die bei einem Überfall durch nicht-indigene Siedler starben“.

Demnach haben die Tötungen am 23. August im Biosphärenreservat Bosawas nahe der Grenze zu Honduras stattgefunden. „Die Tat wurde ganz bewusst besonders grausam inszeniert“, sagt die GfbV-Referentin für indigene Völker, Regina Sonk. „Die Leichen zeigten Anzeichen von Folter. Mehrere Frauen wurden erst vergewaltigt und dann getötet. Das jüngste Opfer war ein sechsjähriges Kind.“

Desinteresse an Indigenen

Dass es in Nicaragua wiederholt zu solchen Morden kommen kann, führt Sonk auf ein weitgehendes Desinteresse der Behörden und Sicherheitskräfte an den Indigenen zurück. „Solange die Polizei Gewalttaten gegen Indigene nicht konsequent verfolgt, wird es auch nicht die letzte bleiben“, meint Sonk. Dieses Phänomen zeige sich nicht nur in Nicaragua, sondern in weiten Teilen Südamerikas. Auch aus Brasilien, Kolumbien oder Venezuela werden ähnliche Vorfälle gemeldet.

Die Regierung des linksgerichteten Präsidentenpaares Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo bezeichnet sich selbst auf Plakaten als christlich, sozialistisch und solidarisch. Ihre Kritiker werfen ihnen allerdings vor, massiv die Rechte von indigenen Völkern zu missachten. Daneben seien jedoch auch Klimaaktivisten auf dem Radar. Laut der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ zählt Nicaragua neben Kolumbien und Brasilien zu den gefährlichsten Ländern für Umweltschützer weltweit. Wie anderswo auch ist wohl das Profitinteresse der Regierung an Holz, Gold, Bergbau oder Agrarprodukten ein Grund dafür.

Gefährliches Pflaster für Umweltschützer

In den vergangenen Jahren häuften sich die Attacken der Regierung Ortega auf Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer. Als Studentinnen und Studenten 2018 gegen die Brandrodung ökologisch wertvollen Waldes in einem Naturschutzpark demonstrierten, reagierte die Regierung mit brutaler Härte. Die Umweltschützer vermuteten, dass Unternehmer, die mit Ortega kooperierten oder sogar Mitglieder der Präsidentenfamilie selbst, die in vielen staatlichen und nicht-staatlichen Unternehmen beteiligt sind, in den Landraub involviert waren.

Auch die Proteste von Kleinbauern und Umweltschützern gegen den Nicaragua-Kanal, ein Mega-Projekt, das Atlantik und Pazifik miteinander verbinden soll, wurden brutal niedergeschlagen. In Wahrheit ging es den Investoren wohl ohnehin nur darum, Grundstücke entlang der geplanten Kanalstrecke enteignen zu können, auch wenn das Projekt wohl niemals zustande kommt. Ökologisch wäre es ohnehin nicht zu vertreten, die Kosten nicht zu stemmen.

Die finanziellen Interessen erklärten letztlich auch, warum die eng mit dem Ortega-Regime verbandelte Polizei untätig bleibt: „Unüberhörbar ist das Schweigen der Polizei zu diesem Massaker, das die Hinterbliebenen zusätzlich traumatisiert“, kritisiert Sonk. „Sie bekommen vermittelt, dass ihr Leid keine Rolle spielt. Denn hier geht es nicht nur um das Eindringen in Naturschutzgebiete und indigene Territorien, sondern um mutmaßlich geplante Hinrichtungen. Die Politik muss solche Vergehen endlich mit angemessenen Strafen versehen und das Gesetz unmissverständlich durchzusetzen.“


(kna -pr)
 

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17. September 2021, 16:43