Syrien: „Für viele geht‘s nur mehr ums Überleben“
Das sagte der Salesianerpater Dani Gaurie jetzt bei einem Besuch in Wien. Der syrische Ordensmann lebt und wirkt in Aleppo und berichtete im Gespräch mit der Nachrichtenagentur kathpress von dramatischen Zuständen vor Ort. Immer mehr Menschen könnten sich nicht einmal mehr die Grundnahrungsmittel leisten, es gebe kaum noch Wasser und Strom, wenige Jobs, und wer noch Arbeit findet, könne davon nicht leben.
Zu Beginn des Krieges 2011 brauchte man für einen US-Dollar 47 Syrische Lira, inzwischen sind es bis zu 3.500. Mit verheerenden Folgen. Wer im Staatsdienst steht, verdiene im Monat rund 80.000 Lira, das reiche aber nicht einmal im Ansatz aus, um eine durchschnittliche Familie ernähren zu können. „Dafür braucht man 500.000 bis 600.000 Lira“, so Pater Dani. Viele Menschen kämen nur mehr über die Runden, weil sie von Verwandten aus dem Ausland unterstützt werden. Und viele andere seien auf humanitäre Hilfe im Land selbst angewiesen.
Strom nur für ein paar Stunden täglich
Strom gibt es maximal für ein paar Stunden am Tag. Für die übrige Zeit sind private Generatoren im Einsatz. Immer weniger Menschen könnten sich diesen mit Diesel erzeugten Strom aber leisten. „Es reicht jedenfalls nicht, um einen Kühlschrank, das TV-Gerät und die Waschmaschine zu betreiben und am Abend auch noch Licht zu haben.“
Auch die Heizungen funktionieren über Generatoren, viele könnten sich das Heizen nicht leisten, so P. Dani. Die Preise für Diesel und Heizöl hätten sich in diesem Jahr fast verdreifacht, der Brotpreis verdoppelt. Die Corona-Pandemie habe die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert, da es noch weniger Arbeit gibt. Angst vor dem Virus habe aber angesichts der furchtbaren Lage kaum jemand.
„Wir sind eine bunte Gemeinschaft“
Die Salesianer Don Boscos haben Syrien während des Krieges nie verlassen. Sie sind in Damaskus, Kafroun und Aleppo aktiv. Im Kloster in Aleppo leben sechs Ordensmänner. „Wir sind eine bunte Gemeinschaft“, erzählte Dani. Die Patres stammen aus Italien, dem Libanon, Sambia und Syrien.
Im Don Bosco Zentrum in Aleppo betreuen die Salesianer Kinder und Jugendliche mit Nachmittagsangeboten wie Lernbetreuung bzw. Nachhilfe, Theater, Sportmöglichkeiten und natürlich auch religiösen Angeboten. Der Nachhilfeunterricht wird dabei von Studenten abgehalten, die sich so ihr Studium finanzieren können. Ähnliche Projekte gibt es in Kafroun und Damaskus.
Busfahrt in die Normalität
Besonders von Armut gefährdete Familien helfen die Salesianer mit Lebensmittelpaketen, Medikamenten und warmer Kleidung. Für Studenten werden fallweise Kurse angeboten, in denen die jungen Leute Zusatzqualifikationen, beispielsweise in Fremdsprachen und im Informatikbereich, erwerben können. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.
„Viele Kinder, die das Don Bosco Zentrum besuchen, wohnen in entfernten Stadtteilen. Sie werden mit dem Bus von zu Hause abgeholt. Genau das ist aber aufgrund der hohen Treibstoffkosten für uns aktuell ein Problem“, so Pater Dani. Der Besuch im Zentrum sei für die jungen Menschen aber sehr wichtig. Es gehe um ein Stück Normalität und Ablenkung: „Hier können die Kinder und Jugendlichen lernen, Freunde treffen und gemeinsam spielen.“
Auf dem Land sieht's anders aus
Die kleine, in Aleppo verblieben christliche Schar ist bunt zusammengesetzt. Es gibt römisch-katholische, syrisch-katholische, chaldäische, armenisch-katholische, maronitische und melkitische Christen; weiters syrisch-orthodoxe, armenisch-apostolische und griechisch-orthodoxe Gläubige, dazu auch einige evangelische Christen. Insgesamt leben aber wohl nur mehr höchstens 25.000 Christen in Aleppo, schätzte Dani. Vor dem Krieg sollen es 300.000 gewesen sein.
In Aleppo selbst würden die Christen gut und in Frieden mit den Muslimen zusammenleben. Auf dem Land sehe die Sache freilich anders aus. Hier sei der islamische Fundamentalismus im Vormarsch, so der Ordensmann. Ein Fortgehen aus Aleppo kommt für ihn nicht infrage. Er hat auch in der schlimmsten Zeit des Krieges vor Ort ausgehalten und wollte und will seine Schützlinge nicht im Stich lassen: „Die jungen Menschen in Syrien brauchen Zukunftsperspektiven und Hoffnung. Jede Unterstützung, um die Hoffnung nicht zu verlieren, ist gut. Dazu brauche es materielle Hilfe, aber auch das Gebet.“
(kap – sk)
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