Mosambik: Stimmt das Terrorismus-Narrativ?
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Auch Papst Franziskus äußert sich immer wieder besorgt über den humanitären Notstand in Mosambik, das er 2019 besuchte. Der Einsatz von Soldaten aus dem südlichen Afrika und aus Ruanda soll unlängst zu einer gewissen Beruhigung der Lage geführt haben. Doch ein Bericht von NGOs und Forschern aus der Region stellt jetzt das vorherrschende Narrativ vom Terrorismus in Frage: Das sei in Wirklichkeit nur eine von mehreren Facetten des Konflikts in Capo Delgado.
„Uns ärgerte die Tatsache, dass der internationale Diskurs über die Vorgänge in Capo Delgado letztlich von ‚Chatham House‘ und dem US-Außenministerium bestimmt wird.“ Das sagt Johan Viloen vom „Denis Hurley-Friedensinstitut“ der Südafrikanischen Bischofskonferenz im Gespräch mit Radio Vatikan. „Aber die eigentliche Geschichte, die die Leute in Mosambik erzählen, ist eine ganz andere!“
„Die eigentliche Geschichte, die die Leute erzählen, ist eine ganz andere“
Analysen von westlichen Schreibtischen erzählen eine Terror-Geschichte: Dschihadisten, die schon seit vielen Jahren aktiv und mittlerweile mit der Gruppe ‚Islamischer Staat‘ vernetzt seien, wollten im Norden von Mosambik ein islamisches Kalifat errichten. Darum hätten sie vor kurzem die Stadt Palma erobert.
„Aber die Leute in Mosambik sagen: Nein, überhaupt nicht! Wir leben schon seit 500 Jahren in Frieden mit den Muslimen. Nein, dieser Konflikt dreht sich um Bodenschätze. Man will uns von unserem Grund und Boden vertreiben, um die Rechte an Investoren vergeben zu können.“
Dollarträume in Maputo
Tatsächlich wurden vor zehn Jahren ausgerechnet vor der Küste von Capo Delgado riesige Erdgas-Vorkommen entdeckt – angeblich die viertgrößten der Welt. Hinzu kommen Ölfelder. Seitdem träumt man in der Hauptstadt Maputo davon, dass das einst ärmste Land der Welt wirtschaftlich einen großen Sprung nach vorn machen könnte. Weitere Bodenschätze: Diamanten und Gold.
Die Menschen, die in Capo Delgado leben, stören offenbar bei diesen Projekten. Es seien, so erklärt der Bericht, „politische und wirtschaftliche Interessen an der Öl- und Gasförderung, die die Gewalt und Vertreibungen anheizen“. Schürf- und Förderrechte seien „in der Hand früherer und jetziger Minister, Generäle und Geschäftsleute, die mit der politischen Elite verbandelt sind“.
Wie man Hilfe von außen anlockt
„Das ist der Eindruck, den wir nicht nur bei Gesprächen mit Priestern und Religionsführern gewonnen haben, sondern mit allen Menschen überhaupt, die von dort vertrieben wurden. Das ist die Stimme der Zivilgesellschaft Mosambiks –und die kommt im internationalen Diskurs überhaupt nicht vor. Natürlich ist es für die Regierung des Landes viel einfacher, sich auf dieses Dschihadisten-Narrativ einzulassen, um an internationale Hilfe zu kommen, als wenn sie sagen würde: Die Leute in der ärmsten Provinz von Mosambik protestieren und fordern ein besseres Leben. Da würde ihnen ja niemand von draußen helfen.“
Der jetzt veröffentlichte Bericht ist vom Zentrum für investigativen Journalismus in Maputo verfasst und unter anderem vom führenden Menschenrechts-Verband von Mosambik unterzeichnet worden. Für Johan Viloen ist das eine Gewähr dafür, dass er mit seinem Blick auf den Konflikt richtigliegt.
„Alle führenden Akteure der Zivilgesellschaft von Mosambik stehen hinter dieser Analyse. Und wir versuchen jetzt, diese Stimme in den internationalen Diskurs einzuspeisen. Wir wollen zeigen, was die Mosambikaner selbst über die Wurzeln des Konflikts denken; wer die Leute sind, die davon profitieren; und welche Folgen der Konflikt für die normalen Bürger hat.“
Sandstrände und Söldner
Der Bericht arbeitet heraus, dass Capo Delgado mit seinen langen Sandstränden und Inseln eigentlich ein hohes Potential für internationalen Tourismus hätte. Er wirft der staatlichen Armee vor, in der Region „überproportionale Gewalt gegen Zivilisten auszuüben“. Auch von „privaten Söldnertruppen“ ist die Rede.
Die Aufständischen – sie werden im Bericht nicht als Islamisten bezeichnet – stammten „hauptsächlich aus Capo Delgado selbst“; sie hätten „furchtbare Verbrechen, darunter Enthauptungen“, verübt. Doch Dialog sei „nie eine Option“ gewesen, da die Regierung immer behauptet habe, dass die Führer des Aufstands nicht bekannt seien.
(vatican news)
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