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CIASE-Präsident Jean-Marc Sauve CIASE-Präsident Jean-Marc Sauve 

Sauve: Kein Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauch

Der Leiter der französischen Unabhängigen Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch in der Kirche (CIASE), Jean-Marc Sauve, sieht keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der priesterlichen Pflicht zur Ehelosigkeit und sexuellem Missbrauch.

„Möglicherweise gab es jedoch eine übertriebene Vorstellung vom Zölibat, die den Einfluss von klerikalen Tätern auf ihre Opfer begünstigt und verstärkt haben kann“, sagte Sauve im Interview der Zeitung „Tagespost“ (Donnerstag) mit Blick auf das Schlagwort „Klerikalismus“ und ein teils „sakralisiertes“ Priesterbild. Die Theologie vom Priester als „Abbild Christi“ sei von Tätern pervertiert worden.

Unabhängig vom Milieu bedeute sexueller Missbrauch Minderjähriger „immer auch den Missbrauch eines bestehenden Autoritäts- und Erziehungsverhältnisses“, betonte Sauve. Jedes soziale Milieu habe zudem  „seine eigenen Schwachstellen und Risiken“; im Sport sei dies der Zugang des Erwachsenen zum Körper des Minderjährigen, in der Schule hingegen der Zugang zum Intellekt, in der Kirche der Zugang zum Gewissen. „Viel mehr als der Zölibat erklärt dieser Zugang zum Gewissen - das heißt zum intimsten Teil des Menschen - sexuellen Missbrauch in der Kirche“, so der frühere Verwaltungsrichter und Vizepräsident des Französischen Staatsrates.

Möglichkeit verheirateter Priester prüfen

Auch wenn der Zölibat an sich kein Risikofaktor sei, spricht sich die Sauve-Kommission in Frankreich dafür aus, die Möglichkeit verheirateter Priester zu prüfen, weil „dadurch eine Überhöhung des Priesters bekämpft werden kann“, wie ihr Leiter sagte.

CIASE hatte Anfang Oktober einen aufsehenerregenden Bericht über Missbrauch in der Kirche veröffentlicht. Die Opfer von Gewalt durch Kleriker in Frankreich sind laut der Studie zu 80 Prozent männlich - während sie in der Gesamtgesellschaft zu 60 Prozent weiblich sei. Die deutsche sogenannte MHG-Studie von 2018 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Zur Erklärung führt Sauve an, Priester hätten über lange Zeit „Zugang zu Jungen, etwa über die Messdiener oder in katholischen Schulen“. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dies sei die einzige Erklärung.

Als weiteren Faktor führt der Experte sexuelle Orientierung an. Sich auf Homosexualität als Erklärung für Missbrauch festzulegen, sei aber „sehr heikel“. Sauve wörtlich: „Genauso gut könnte man sagen, dass seine heterosexuelle Orientierung erklärt, warum ein Priester ein Mädchen angreift.“ Ein kausaler Zusammenhang zwischen sexueller Orientierung und sexuellen Übergriffen sei nicht nachzuweisen. Dennoch sei der Anteil Homosexueller unter den Tätern „hoch, viel höher als in der Allgemeinbevölkerung und auch im Klerus selbst“.

(kap - cs)

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04. November 2021, 12:17