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Auch Stürze gehören zum Sport dazu Auch Stürze gehören zum Sport dazu 

Peking 2022: „Hart, wenn wegen Corona der Lebenstraum zerplatzt“

Auch die aktuellen Olympischen Winterspiele werden durch die Corona-Pandemie überschattet. Die Restriktionen bei der Einreise, aber auch das Risiko, positiv getestet zu werden und damit nicht wie geplant bei den Wettkämpfen antreten zu können, belasten die Sportler. Erschwert ist auch die seelsorgliche Betreuung der Athleten: Die findet wie bereits bei den Sommerspielen in Japan nur Online statt. Ein Interview mit Lisa Keilmann, katholische Olympia-Seelsorgerin des deutschen Teams.

Radio Vatikan: Die Olympischen Winterspiele in China finden wie auch schon die Spiele in Japan wegen Corona in einer sehr restriktiven Atmosphäre statt. Nicht nur die Seelsorger, sondern viele andere Begleiter, die sonst mit den Athleten reisen, konnten ja nicht mitkommen. Wie leben denn die Athleten diese Situation?

Lisa Keilmann (katholische Seelsorgerin für das Olympische Team): Ja, die Olympischen Winterspiele sind natürlich unter pandemischen Bedingungen wieder ganz andere, es gelten zur Sicherheit strenge Auflagen, die in den sogenannten Playbooks aufgeschrieben sind. Dort gibt es Hygienekonzepte, Handlungsanweisungen, die Teilnehmenden müssen täglich PCR-Tests machen und man darf sich auch nur innerhalb der Closed Loops aufhalten, um Kontakte zu vermeiden. Daher ist auch nur das nötigste Personal mit dem engsten Kreis wie Trainer, Betreuer und Ärzte zugelassen. Und angesichts dieser Situation wäre das auch meiner Meinung nach anders nicht umsetzbar.

Wer auch nicht mitfahren kann, das sind nicht nur wir als Seelsorger, sondern auch die Familien und Freunde der Athletinnen und Athleten sind nicht vor Ort, wie es sonst immer üblich war. Wenn es auch einen guten team-spirit in der Mannschaft gibt, ist es natürlich sehr schmerzlich, wenn die engsten Angehörigen beim Höhepunkt der Sportlerkarriere nicht dabei sind, wenn diese nach langen Vorbereitungen ihr Bestes geben. Sie haben lange Zeit, über Jahre, trainiert, haben ihr Leben darauf ausgerichtet und die Familien haben sie dabei unterstützt und dann können Sie einfach nicht dabei sein.“

Hier das Interview mit Olympia-Seelsorgerin Lisa Keilmann zum Nachhören

Radio Vatikan: Auch Sie als Seelsorger haben ja diese Schwierigkeiten, wie bereits in Japan müssen Sie hier in China ein digitales Angebot vorhalten, wie läuft das denn ab?

Keilmann: „Ja aus der Ferne und digital ist es nach wie vor eine große Herausforderung und nicht damit zu vergleichen, als wenn wir vor Ort wären. Die persönlichen Begegnungen, die zufälligen Gespräche vor Ort fehlen uns, das Zusammenkommen im Deutschen Haus oder beim Training, die zufälligen Begegnungen, das alles fehlt. Seelsorge lebt natürlich von persönlichen Kontakten und diese Möglichkeit haben wir zurzeit nicht. Also mit den Möglichkeiten, die die digitalen Medien bieten, sind wir für das Team D natürlich da und es ist für viele Athleten auch gut zu wissen, dass wir da sind. Wir haben auch große Unterstützung vom Deutschen Olympischen Sportbund, mit dem wir ganz eng in Kontakt stehen.“

Elisabeth Keilmann betreut seit 2018 das deutsche Olympia-Team als katholische Seelsorgerin
Elisabeth Keilmann betreut seit 2018 das deutsche Olympia-Team als katholische Seelsorgerin

Radio Vatikan: Sie haben es erwähnt, China hat eine sehr restriktive Corona-Politik, auch die Grenzwerte sind sehr streng angesetzt, viele Leute können gar nicht erst einreisen. Haben Sie denn schon derartige Fälle im Team Deutschland und führen diese Einschränkungen - und vielleicht dann ja auch kurzfristige Änderungen von Team-Zusammenstellungen - zu Frust bei den Sportlern?

Keilmann: „Ja, bei den deutschen Athleten gibt es schon vier positive Fälle und so wie ich es gehört habe, wurden die meisten positiv getesteten Personen direkt beim PCR-Test am Flughafen oder in den ersten Tagen entdeckt. Wenn das passiert, dann ist das natürlich für einen Sportler und für eine Sportlerin sehr bitter, wenn der Traum zerplatzt. Sie haben sich so lange vorbereitet, mental, emotional, durch konzentriertes Training, und wollen natürlich den Höhepunkt ihrer Sportlerkarriere erleben. Dazu kam in diesem Jahr noch mal die große Herausforderung, sich vor den Spielen nicht mit dem Virus und der schnell ansteckenden Omikron-Variante anzustecken, damit sie überhaupt einreisen konnten. Sie mussten viele Entbehrungen in Kauf nehmen, oft haben sie im Vorfeld isoliert von ihren Familien gelebt.

Beim Eiskunstlauf-Paar (Nolan Seegert und Minerva Hase mussten wegen der Corona-Infektion von Seegert in Quarantäne, Anm.) war das zum Beispiel so, dass sie am vergangenen Freitag nicht in ihrem Kurzprogramm antreten konnten und natürlich jetzt hoffen, zu einem späteren Zeitpunkt noch am Paarlaufwettbewerb teilzunehmen. Aber wenn sie dann vor dem Wettkampf stehen, fokussieren sich die Athleten auf den Sport, wollen ihr Bestes geben und versuchen, das Negative auszublenden.“

Die deutsche Mannschaft trat beim Team-Wettbewerb wegen eines Corona-Falles ohne ihr Paarlauf-Team an und hatte somit keine Chance auf einen der vorderen Plätze (hier ein Bild des Eistanz-Teams Mueller/Dieck)
Die deutsche Mannschaft trat beim Team-Wettbewerb wegen eines Corona-Falles ohne ihr Paarlauf-Team an und hatte somit keine Chance auf einen der vorderen Plätze (hier ein Bild des Eistanz-Teams Mueller/Dieck)

Radio Vatikan: Die Spiele in China sind ja nicht nur wegen Corona etwas schwieriger, sondern auch in der Öffentlichkeit sehr umstritten, ein diplomatischer unsportlicher Boykott wurde ja im Vorfeld gefordert und grundsätzlich stand damit ja auch die Vergabepolitik der Olympischen Spiele in Frage. Ist denn der vielbeschworene Olympische Geist bei den Spielen in Gefahr?

Keilmann: „Grundsätzlich muss ich noch einmal sagen, dass die Olympischen Spiele nach wie vor ein großes Ereignis in der Welt sind und auch Faszination ausüben. In den letzten Jahren wurde dann immer mehr die Diskussion laut, wenn es grundsätzlich um Gigantismus, Kommerz, Doping, Umweltzerstörung oder Menschenrechte geht. Aber gleichzeitig sollte bedacht werden, dass die Olympischen Spiele auch die Kraft haben, ein positives Signal in die Welt zu senden, denn sie können zur internationalen Verständigung beitragen und Toleranz unter Nationen leisten.

Papst Franziskus hat das zum Beispiel letzte Woche bei seiner Generalaudienz noch einmal betont. Er hat gesagt, der Sport kann mit seiner universellen Sprache Brücken der Freundschaft und Solidarität zwischen Menschen und Völkern aller Kulturen und Religionen bauen. Ja, bis heute ist die Idee der Fairness und des weltumspannenden Friedens ein bedeutender Aspekt und das sind halt auch Werte, die nicht nur für den Sport wichtig sind, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Im Blick auf zukünftige Entwicklungen ist meiner Meinung nach grundsätzlich darauf zu schauen, wie diese Grundidee der modernen Olympischen Spiele in die heutige Zeit konkret umgesetzt werden kann. Als Beispiel könnte ich die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 in Paris nennen, denn das ist die erste Großveranstaltung, die bereits im Ausrichtervertrag Nachhaltigkeit und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verankert hat.“

Die deutsche Bob-Pilotin Mariama Jamanka beim Training
Die deutsche Bob-Pilotin Mariama Jamanka beim Training

Radio Vatikan: In diesem Jahr feiern Sie ja auch ein wichtiges Jubiläum, nämlich 50 Jahre Olympia-Seelsorge. Dazu gesellt sich eine Premiere im kommenden Jahr....

Keilmann: „Ja, in diesem Jahr können wir auf 50 Jahre Olympia-Seelsorge in Deutschland zurückblicken. Die Olympia-Seelsorge hat sich bereits nach dem Krieg entwickelt und seit den Olympischen Spielen in München 1972 gehört das ökumenische Seelsorgeteam bei allen olympischen Sommer- und Winterspielen als fester Bestandteil zur deutschen Mannschaft. In den 90er Jahren haben Seelsorger dann auch die Paralympics und die Universiade begleitet, und – Sie haben es gerade angesprochen - im Jahr 2023 werden zum ersten Mal Seelsorger bei den Special Olympics World Games in Berlin dabei sein.

Also, das zeigt für mich noch mal, Seelsorge wird geschätzt. Wir sind genauso selbstverständlich bei inklusiven Veranstaltung dabei, und das ist für mich noch einmal eine große Chance auch für mehr Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Dieses Ereignis des 50. Jubiläums der Olympia-Seelsorge werden wir im Oktober mit einer Akademie-Veranstaltung im ökumenischen Kirchenzentrum im Olympischen Dorf in München feiern.“

Radio Vatikan: Vielen Dank für den Einblick in Ihre Arbeit bei den Olympischen Winterspielen in diesem Jahr, Frau Keilmann!

Keilmann: „Sehr gerne, danke Ihnen.“

Hintergrund

Elisabeth Keilmann ist seit 2018 als Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz tätig. Auch bei den Olympischen Winterspielen in Peking konnte sie - wie im Sommer 2021 in Tokio - aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie nicht persönlich anreisen und steht den Teilnehmenden nur virtuell zur Verfügung.

Die zweitägige Akademieveranstaltung zu 50 Jahren Olympiaseelsorge wird die Geschichte, Meilensteine und den Wandel der Olympiaseelsorge bis zur Gegenwart umfassen. Sie findet am 7./8. Oktober 2022 im Ökumenischen Kirchenzentrum im Olympischen Dorf statt.

(vatican news - cs)

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11. Februar 2022, 12:32