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Franziskus mit zwei orthodoxen Erzbischöfen 2016 auf der griechischen Insel Lesbos Franziskus mit zwei orthodoxen Erzbischöfen 2016 auf der griechischen Insel Lesbos 

Eine Theologie des Dialogs und Zuhörens für den Mittelmeerraum

Dass Papst Franziskus ein Herz für die Problematiken des Mittelmeerraumes hat, hat er bereits kurz nach Pontifikatsbeginn deutlich gemacht, als er seine erste Reise als Kirchenoberhaupt ausgerechnet nach Lampedusa unternahm. Erste Grundzüge einer Theologie, die in den Kontext des Mittelmeerraumes eingebettet ist, stellte er bei seinen programmatischen Reden in Neapel 2019 und in Bari 2020 vor. Nun geht er einen weiteren Schritt.

Rund sechzig Bischöfe und ebenso viele Bürgermeister aus etwa zwanzig Ländern des Mittelmeerraums werden sich in einem bis dato unbekannten Format am kommenden Wochenende in der toskanischen Stadt Florenz – die übrigens nicht am Meer liegt - auf einem Gipfeltreffen begegnen. Es geht um Frieden und Geschwisterlichkeit in dem kulturreichen Becken des Mittelmeerraums, fast wie eine kleine Synode, die vom italienischen Episkopat im Einvernehmen mit dem Papst organisiert wurde und zu der Franziskus am 27. Februar auch selbst anreisen wird.

Ein Treffen im neuen Format

Der argentinische Pontifex setzt damit seine Bemühungen fort, eine Theologie des Mittelmeerraums zu entwerfen. Erste Weichen dafür hatte er durch seine Reisen gestellt, die ihn seit 2013 von Lampedusa über Tirana und Rabat bis jüngst nach Zypern geführt haben. „Friedensgrenze Mittelmeer 2“ ist der Titel dieser Veranstaltung, deren erster Teil im Februar 2020 in Bari im italienischen Apulien stattgefunden hatte. Neu ist dieses Mal die Anwesenheit von Bürgermeistern aus größeren und kleineren Städten rund ums Mittelmeer.

Immer wieder weist Franziskus darauf hin, dass er das Mittelmeer als physischen und spirituellen Ort sieht, an dem die Zivilisation als Ergebnis des Zusammentreffens mehrerer Völker Gestalt angenommen hat. Mehr noch als das, sei für den Papst das Mittelmeer ein „privilegierter Ort für den interkulturellen und interreligiösen Dialog“, meint Patrice Chocholski, Theologe und Direktor des Institut Catholique de la Méditerranée (ICM) in Marseille, im Gespräch mit Radio Vatikan. Bei einer Definition des bislang noch recht wenig erforschten Bereiches einer „Theologie des Mittelmeerraumes“ könne man sicherlich von der programmatischen Ansprache des Papstes auf einer Konferenz in Neapel ausgehen, erläutert der Professor.

Dom von Florenz
Dom von Florenz

Für einen Tag liegt Florenz am Meer

„In dieser Rede schlägt er eine Theologie vor, die ,im Kontext des Mittelmeerraumes‘ steht. Für ihn soll sie vor allem eine Theologie der Aufnahme, des Zuhörens und der Barmherzigkeit sein. Franziskus zufolge ist der Mittelmeerraum ein privilegierter Ort für den interkulturellen und interreligiösen Dialog. Der aufrichtige Dialog ist seiner Meinung nach ,die Bedingung der Möglichkeit‘ für die Theologie. Die Theologie des Mittelmeerraums müsse einen universellen Dialog mit allen entwickeln, mit den sozialen und zivilen Institutionen, mit den Universitäts- und Forschungszentren, mit den religiösen Führungspersönlichkeiten und mit allen Frauen und Männern guten Willens."

Die Falten der Geschichte

Das Ziel einer solchen Dialogs, auch das formulierte der Papst in der genannten Rede, sei es, „in Frieden eine inklusive und geschwisterliche Gesellschaft aufzubauen und sich auch für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen“. Was den Dialog betreffe, verwende der Papst ein schönes Bild, so Chocholski:

„Er sagt, dass es in den Falten der Geschichte Licht und Schatten gibt, und um diese Schatten und Lichter zu unterscheiden und zu interpretieren, brauchen wir das Kriterium der Barmherzigkeit. Das Kopernikanische daran ist, dass wir, um zu diesem Kriterium zu gelangen, zunächst einen Dialog zwischen den drei großen abrahamitischen Religionen führen müssen, um zu sehen, was der Begriff Barmherzigkeit in der hebräischen und arabischen Kultur bedeutet.“

Mittelmeerraum als Wiege des christlichen Glaubens

Mit diesem gemeinsamen Verständnis sei es leichter, auch die Geschichte des Mittelmeerraumes mit neuen Augen zu sehen und „gemeinsame Erzählungen“ zu entwickeln, so der Experte für die Theologie des Mittelmeeres. Dabei gehe es aber keineswegs nur um „theologische oder metaphysische“ Themen, sondern auch um Umweltfragen, Grenzen, Zugehörigkeit oder Identität, erläutert Chocholski. Nicht zu vergessen: Letztlich wurzele der gesamte christliche Glauben ja im Mittelmeerraum, an dessen Küsten er entstanden sei.

„Die Traditionen, die in den ersten Texten, dem Alten und Neuen Testament, zusammenlaufen, stammen aus dem Mittelmeerraum: Ägypten, Syrien, dem heutigen Libanon, Phönizien, den Hethitern, die heute in der Türkei leben würden, Rom, Griechenland. Sie alle fließen in die biblischen Erzählungen ein. Pfingsten ist ein Beispiel dafür. Sie kamen aus all diesen Mittelmeerländern, um die Gaben des Geistes zu empfangen und dann wieder in die Länder entlang des Meeres aufzubrechen und die Gute Nachricht zu bringen.“

Zum Dialog entschlossen: Franziskus 2021 in Ur (Irak)
Zum Dialog entschlossen: Franziskus 2021 in Ur (Irak)

Prozesse in Gang setzen

Die Region befinde sich mittlerweile jedoch zunehmend in einer Zeit der Unsicherheit, analysiert der Forscher, der sich der Theologie des Mittelmeerraumes verschrieben hat. „Die multidimensionalen zeitgenössischen Krisen fordern uns auf individueller und kollektiver, sozialer, menschlicher, wirtschaftlicher, migratorischer, digitaler, geostrategischer, ökologischer, generationsspezifischer und kultureller Ebene heraus. Angesichts dieser Krisen ist der Dialog der Kulturen, Humanismen und Religionen eine dringende Notwendigkeit. Da Zeit wichtiger ist als Raum, fordert uns Papst Franziskus auf, Prozesse in Gang zu setzen. Wir wissen nicht immer, wo sie enden werden, um eine aktive Zusammenarbeit auf mediterraner Ebene anzuregen. Mit anderen Worten, wie die Religionen Teil der Lösung sein können. Je mehr wir es verstehen, der Kultur der Begegnung und damit diesen interkulturellen und interreligiösen Beziehungen Bedeutung beizumessen, desto mehr wird sich das Wort Gottes offenbaren.“

Die kulturellen Vektoren, die sich im Mittelmeerraum fänden, setzten sich letztlich in der ganzen Welt fort, gibt Chocholski zu bedenken. Der Mittelmeerraum stelle somit einen Mikrokosmos dar, der selbst auf einen Makrokosmos verweise. „Wenn in Jerusalem Frieden herrscht, herrscht in der ganzen Welt Frieden“, heißt es. Eine Hoffnung, die mit dem Treffen von Florenz weiter genährt werden soll.

(vatican news - cs)

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22. Februar 2022, 14:05