Charles de Foucauld, oder: Was eine Sandale sagen kann
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Leicht zu erreichen ist Schwester Monika Theresa nicht. Sie hat kein Mobiltelefon, das haben nur die wenigsten in ihrer Gemeinschaft, und sie lebt in der Zentrale ihrer Kongregation im Süden Roms, auf dem Gelände der Trappistenabtei Tre Fontane. Ruhig und grün ist es dort - passend auch deshalb, weil Charles de Foucauld (1858 -1916) sieben Jahre Trappist war, in Klöstern in Frankreich, Syrien und Algerien, ehe er in Algerien Eremit wurde und in Nachbarschaft zu Tuareg-Stämmen lebte, deren einfaches Leben er teilte, bis hin zu den Sandalen; ein Mobiltelefon hätte er sich nie angeschafft.
Die Kleinen Schwestern Jesu sind eine von mehreren Ordensgemeinschaften, die sich in ihrer Spiritualität auf diesen einzigartigen Heiligen berufen. Den Kern dieser Spiritualität fasst Schwester Monika Theresa so zusammen:
„Auf Augenhöhe und in Liebe miteinander umgehen und leben und Jesus im Anderen entdecken. Egal, wer dieser oder diese andere ist, egal welche Religion, egal welche Weltanschauung - also, das ist nicht wichtig.“ Denn Bruder Karl – so nennen ihn die Schwestern – Bruder Karl versuchte nicht, andere von seinem Glauben zu überzeugen. „Er war nicht in der Idee unterwegs, andere zu bekehren. Er war er selbst und hat gehofft, dass durch sein Leben die gute Botschaft von der unbedingten Liebe Gottes sich verbreitet. Und der andere braucht sich gar nicht zu verändern, um das zu empfangen.“
„Der Rand ist unsere Mitte“
Die Kleinen Schwestern Jesu versuchen genau diese geistliche Haltung heute zu verwirklichen. Sie leben kontemplativ, aber zugleich mitten in der Welt, und zwar in der Welt der Armen, erklärt die aus dem Bistum Limburg stammende Schwester, die selbst jahrelang mit einer Gruppe Zirkusleuten unterwegs war. „Wir leben Seite an Seite, im Gespräch, im Kontakt, in Freundschaft, in Respekt und in gegenseitiger Wertschätzung mit Menschen am Rand der Gesellschaft. Wobei der Rand für uns die Mitte ist.“
Deshalb suchen sich Kleine Schwestern Jesu absichtlich miese Jobs und miese Wohnungen, sind auch einmal arbeitslos. „Wir teilen die Arbeitsbedingungen, die Lebensbedingungen, die Suche, die Fragen, alles, was die Menschen um uns herum auch beschäftigt. Wir gehen in Fabriken oder arbeiten als Putzfrau oder in ungesicherten Arbeitsverhältnissen. Wir leben zu dritt oder viert in kleinen Wohnungen, Mietwohnungen und, ja, in Favelas.“
Eine Lebensform, die quer steht zu allen Zielen, die man gemeinhin so hat in einem westlichen Land: Karriere, Wohlstand, sozialer Aufstieg, seine Schäfchen ins Trockene bringen. Was genau steht denn hinter einer solchen Option für das ganz Andere? „Die Sehnsucht, dem anderen dort zu begegnen, wo er lebt, und eine der Ihren zu werden“, sagt Schwester Monika Theresa. „Wirklich konkret mit allem, was da ist. Also auch das Essen. Die Kleidung. Alles. Ich suche den anderen da, wo er ist, und biete meine Freundschaft an und mache das, weil ich überzeugt bin, dass Jesus das auch so machen würde.“
Papst Franziskus hat in der Kirche den Begriff und die Lebensform der Geschwisterlichkeit neu in den Mittelpunkt gerückt. Charles de Foucauld und nach seinem Vorbild die Kleinen Schwestern Jesu leben das schon lange: das Schwester-und-Bruder-Sein für die anderen, für die, die am Rand stehen. Freundschaft ohne den Hintergedanken, dem anderen etwas zu „verkaufen", und sei es auch das eigene Bekenntnis, der Schatz jedes gläubigen Getauften. Bruder Karl - Charles de Foucauld – lebte auf diese Weise in der Wüste Algeriens mit den Tuareg, Muslimen. Er ließ sich 1901 in Beni-Abbés in der Sahara nieder und begann ein Leben im „Stil von Nazareth", das heißt: Gebet, Schweigen, Handarbeit und Armenfürsorge.
Charles-de-Foucauld-Museum
Die Kleinen Schwestern Jesu haben in ihrem Generalat in Rom ein kleines Museum über Charles de Foucauld eingerichtet, mit vielen Gegenständen, die Bruder Karl nutzte, die er teils selbst angefertigt hat. Eine Säge, eine Sichel, ein Wecker, Mausefallen, ein Kerzenleuchter für die Liturgie, sein Messkelch – Bruder Karl war Priester – und das dreibändige, von ihm verfasste erste Lexikon Tuareg-Französisch.
Was eine Sandale sagen kann
Außerdem: eine seiner Sandalen. Was ihr diese Sandale sagt?, wollten wir von Schwester Monika Theresa wissen. „Ja, ich hab's nicht so mit Reliquien…“, räumt sie ein. „Ich verehre jetzt nicht die Sandale, weil Jesus auch Sandalen anhatte oder weil Bruder Karl Sandalen getragen hat, oder weil es seine ist. Aber ich sehe darin ein Symbol seiner Einfachheit, von dem zu leben, was ihn umgeben hat. Er hat keine Bequemlichkeit gesucht, er hat sie sich selber gemacht. Und ich vermute, dass die auch so ist wie alle Sandalen, die die Tuareg getragen haben, um ihn herum. Ich glaube, mit so einer Sandale ist man dem Bodenständigen sehr nahe.“
Die Kleinen Schwestern Jesu, gegründet von der Französin Magdeleine Hutin, sind in 60 Ländern der Welt vertreten, meist leben sie in den Peripherien großer Ballungsräume.
(vatican news)
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