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Palmsonntag 2022 in Karakosch Palmsonntag 2022 in Karakosch 

Irak: Bildung und Sicherheit als Schlüssel zur Zukunft der Christen

Den Menschen im Irak die Hoffnung auf eine würdige Zukunft wiedergeben – das hat sich das Päpstliche Hilfswerk Kirche in Not auf die Fahnen geschrieben. Der geschäftsführende Präsident Thomas Heine-Geldern war erst kürzlich aus freudigem Anlass in dem Land zu Besuch, in dem die IS-Spuren immer noch deutlich sichtbar sind: Er hatte in Karakosh ein Gymnasium eingeweiht, das mit Geldern von Kirche in Not errichtet wurde.

Karakosch ist eine der größeren christlichen Städte in der irakischen Ninive-Ebene, wo die IS-Terroristen besonders heftig gewütet hatten. Nun wurde dort mit der Al-Tahira-Sekundarschule das erste Gymnasium für Christen eröffnet, das von Kirche in Not dank der Großzügigkeit einiger Großspender errichtet werden konnte. Das berichtet der Präsident des Hilfswerkes, Thomas Heine-Geldern, am Rande einer Online-Pressekonferenz im Gespräch mit Radio Vatikan. „Dabei handelt es sich um das erste Gymnasium in diesem Teil des Irak, welches von Dominikaner-Schwestern geführt wird und welches ungefähr 600 Schülern die Möglichkeit geben wird, eine gymnasiale Ausbildung zu absolvieren“, so Heiner-Geldern.

Thomas Heine-Geldern, geschäftsführender Präsident von Kirche in Not
Thomas Heine-Geldern, geschäftsführender Präsident von Kirche in Not

Sie steht auf dem Gelände des ehemaligen Spielplatzes der Al-Tahira-Grundschule, die ebenfalls von den Dominikanerinnen geleitet wird. Die Al-Tahira-Sekundarschule verfügt auf drei Etagen über Klassenzimmer, drei Labore, ein Computerzentrum, einen Konferenzraum, eine Bibliothek und eine Kapelle und müsse einen Vergleich mit anderen Schulen nicht scheuen, so der KIN-Präsident: „Es handelt sich dabei um eine erste Errichtung eines Gebäudes für die Zukunft und nicht um die Restaurierung oder Wiederinstandsetzung von Gebäuden, die durch den Krieg oder den Einmarsch der IS ruiniert worden sind. Das ist ein ganz besonderes Zeichen von Hoffnung und von Zugriffsmöglichkeiten für die christliche Bevölkerung der Ninive-Ebene,“ betont Heine-Geldern. Kirche in Not hatte 80 Prozent der 2,1 Millionen US-Dollar Baukosten übernommen.

„Die Sorge ist, dass sich das Augenmerk der Weltöffentlichkeit von Irak und dem Mittleren Osten abwendet und verständlicherweise nur auf den brennenden Ukraine-Konflikt konzentriert“

Eben erst einem schrecklichen Krieg entkommen und mit immer noch heftigen Konfliktherden konfrontiert, beobachten die Iraker den Krieg in der Ukraine mit besonderer Sorge, betont der Präsident des Päpstlichen Hilfswerkes, das im Irak beim Wiederaufbau ganzer christlicher Landstriche eine führende Rolle eingenommen hat. „Die Situation des Ukraine-Krieges, der uns alle noch immer schockiert, hat einen starken indirekten Einfluss auf die Situation der Christen im Irak. Die Sorge ist, dass sich das Augenmerk der Weltöffentlichkeit vom Irak und dem Mittleren Osten abwendet und verständlicherweise nur auf den brennenden Ukraine-Konflikt konzentriert. Dies würde aber bedeuten, dass die verschiedenen Initiativen, um Stabilität und Sicherheit im Irak zu verstärken, wieder an Schwung verlieren und dass fundamental-islamistische Gruppen wieder die Oberhand gewinnen. Das wäre eine schwere Bedrohung des Weiterverbleibs von Christen im Irak.“

Ostern in der Al-Tahera-Kirche in Karakosch
Ostern in der Al-Tahera-Kirche in Karakosch

Bedrohung durch islamistische Fundamentalisten

Daher sei es enorm wichtig, „dass wir das Augenmerk der internationalen Gemeinschaft darauf richten, die Situation der Christen im Irak nicht zu vergessen“: „Bedenken wir immer, dass im Jahre 2003, also vor dem Krieg, ungefähr 1,3 bis 1,5 Millionen Christen im Irak gewohnt haben und es jetzt nur mehr 150.000 bis 250.000 Christen dort gibt. Damit ist auch ein kultureller und zivilisatorischer Aderlass für den Irak vor sich gegangen, da viele der Christen im Irak gut ausgebildet und in für die Gemeinschaft notwendigen Berufen tätig waren.“

Dennoch hatten sich die Kirche-in-Not-Vertreter bei der Pressekonferenz insgesamt vorsichtig optimistisch darüber gezeigt, was die Rückkehr und den Verbleib der Christen im Irak betreffe. Notwendig seien freilich Sicherheitsgarantien, Arbeitsmöglichkeiten und Bildungschancen für die Kinder. Als der IS 2014 weite Teile der nordirakischen Ninive-Ebene - das christliche Kerngebiet im Irak - überrannte und 120.000 Christen fliehen mussten, sei die christliche Existenz im Land auf der Kippe gestanden, erläuterte Regina Lynch, Irak-Expertin des Hilfswerks, bei der Pressekonferenz. Nun gebe es doch wieder berechtigten Grund für etwas mehr Hoffnung.

Rund 50 Prozent der christlichen Familien seien ab 2017 in ihre Heimatstädte und Dörfer in der Ninive-Ebene zurückgekehrt. Ohne die Ninive-Rückkehrhilfe von „Kirche in Not“ und anderen Hilfsorganisationen wäre der Exodus der Christen freilich noch viel schlimmer ausgefallen, so Lynch, die Papst Franziskus auch auf seiner Irakreise begleitet hatte. Dieser Besuch im März 2021 habe den Menschen viel Hoffnung geschenkt: „Das war eine große Ermutigung für die Christen. Und viele Muslime haben zum ersten Mal mitbekommen, dass die Christen die ursprünglichen Einwohner des Irak sind.“

Hoffnung und Sorgen

John Pontifex vom englischen Zweig von „Kirche in Not“ berichtete bei der Pressekonferenz von der Kleinstadt Batnaya in der nördlichen Ninive-Ebene. Einst lebten in der Kleinstadt 3.000 christliche Familien. Als im Sommer 2014 die Terrormiliz IS vorrückte, mussten alle fliehen. Mehr als zwei Jahre kontrollierten die IS-Terroristen den Ort, der direkt an der Frontlinie lag. Ende 2016 konnten kurdische Verbände die Stadt zurückerobern. Die Stadt war vollständig zerstört, die Häuser zerbombt und niedergebrannt.

Aufgrund der vollständigen Zerstörung dauerte der Wiederaufbau länger als in anderen Städten. Rund 500 Christen seien inzwischen wieder zurückgekehrt. Zu Ostern konnten in der wieder aufgebauten St. Kyriakos-Kirche die ersten Gottesdienste gefeiert werden. Pontifex sprach von einem besonderen Zeichen der Hoffnung.

Weniger erfreulich seien hingegen Berichte von militanten (schiitischen) Schabak-Gruppen, die den Christen ihren Landbesitz wegnehmen würden. Auch die Angst vor einem Wiedererstarken des IS sei nicht ganz unbegründet. Pontifex' Resümee: „Die Christen bemühen sich nach Kräften, um im Land bleiben zu können. Doch sie brauchen unsere Hilfe.“

(vatican news/kap - cs)

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10. Mai 2022, 15:47