Erzbischof You Erzbischof You 

„Es gibt nicht nur hässliche Priestergeschichten“

Er ist, zusammen mit dem philippinischen Kardinal Tagle, das asiatische Gesicht der Kurie. Und im August wird er Kardinal. Der Südkoreaner Lazarus You Heung-sik leitet das Dikasterium für den Klerus.

„Es gibt viele schöne Priestergeschichten zu erzählen, nicht nur die hässlichen und unangenehmen, an denen es aber leider auch nicht mangelt“: Das sagt uns der 70-Jährige in einem Interview. Wenn die Kirche Priester ausbilde, die menschlich, geistig und intellektuell reif seien, „dann werden wir endlich weniger von Missbrauch und anderen bekannten Übeln hören“, glaubt Erzbischof You.

„Welche Priester braucht die Kirche heute? Wie wählen wir sie aus? Wie bilden wir sie aus?“ Das sind aus der Sicht des designierten Kardinals „grundlegende Fragen“ für die Kirche.

Priester in Polen bei einer Wallfahrt
Priester in Polen bei einer Wallfahrt

„Der Priester ist auch ein Kind der Gemeinschaft“

„Der Priester steht der Gemeinde vor, feiert für sie und mit ihr die heilige Eucharistie; er ist der Vater und Leiter der Gemeinde. Jesus hat das Priestertum auch für den Dienst an der Gemeinschaft eingesetzt; daher kann es ohne Gemeinschaft kein Amtspriestertum geben. Aber der Priester ist auch ein Kind der Gemeinschaft, ein Gefährte der Gemeinschaft – in dem Sinne, dass er mit ihr zusammen geht und dasselbe Brot isst.“

Wenn die Rolle des „Priester-Vaters“ verabsolutiert werde, dann entstehe Klerikalismus, so Erzbischof You. „Wenn hingegen ein guter Priester zwar Vater ist, sich aber in seinem Herzen auch als Sohn und Bruder fühlt, dann wird er die Gemeinschaft mit seinem ganzen Wesen lieben, sich ihr voll und ganz widmen und keine Zeit damit verschwenden, persönlichen Bestrebungen und Ambitionen nachzujagen. Das Wichtigste ist, dieses trinitarische Leben zusammen mit der Gemeinschaft zu leben.“

Priester in Spanien zeichnet mit seinem Handy eine Predigt auf
Priester in Spanien zeichnet mit seinem Handy eine Predigt auf

„Das Priesterseminar ist keine Fabrik“

Über den Rückgang von Priesterberufungen ist You natürlich sehr besorgt. „In fast allen Ländern sind die Berufungen rückläufig. Dennoch wollen viele junge Menschen die guten Beispiele, an denen es nicht mangelt, nachahmen. Es geht also darum, ihnen gute Beispiele anzubieten, das heißt glaubwürdige Zeugnisse von Menschen, die das Evangelium ganzheitlich leben und so zu zeigen wissen, dass Gott die Liebe ist und dass das Zusammensein mit ihm unser einziges Gut, das einzige wahre Glück des menschlichen Herzens darstellt.“

Besonders aufmerksam ist der künftige Kardinal, was die Priesterausbildung betrifft. „Das Priesterseminar ist keine Fabrik, in der Priester produziert werden, sondern ein Ort, an dem die Jünger Jesu leben und dort langsam zu Aposteln werden. Deshalb muss man im Seminar vor allem das Wort leben, sowohl auf persönlicher Ebene als auch im Gemeinschaftsleben. Es ist wirklich wichtig, dass wir das Gemeinschaftsleben auch in den zahlenmäßig kleinen Seminaren gut leben.“

Priester auf den Philippinen
Priester auf den Philippinen

„Oft bombardieren die Medien uns mit Nachrichten über Priester, die nicht immer gut sind“

Der Zölibat bedeute auch, „auf eine menschliche Familie zu verzichten, um eine größere Familie zu gründen“. „Dann muss dieses Bewusstsein in den Herzen der Priesteramtskandidaten schon in den ersten Jahren der Ausbildung geboren und entwickelt werden!“

Priester sein ist in der Sicht von Erzbischof You „ein großes Geschenk Gottes“. „Oft bombardieren die Medien uns mit Nachrichten über Priester, die nicht immer gut sind .... Dennoch sehe ich, dass es so viele heldenhafte, gute Priester gibt: Gemeindepfarrer, Missionare, die dem Volk Gottes dienen, vor allem denjenigen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Mir scheint es wichtig und richtig, die Priester zu ermutigen, damit sie fröhlich sind: nie mit einem langen Gesicht, sondern mit einem Lächeln auf den Lippen, fähig, die Schönheit des empfangenen Geschenks auch in ihrem Gesicht auszudrücken.“

Zum Nachhören: Interview mit Erzbischof You von der Kleruskongregation - Radio Vatikan

„Eine Kirche ohne Priester ist nicht denkbar“

So schlimm wie in Europa ist die Berufungskrise in vielen anderen Teilen der Weltkirche nicht – in Afrika und Asien etwa übt der Priesterberuf eine ungebrochene Anziehungskraft aus. „Jeder Kontinent erlebt seine eigene Situation“, sagt You dazu, „aber eine Kirche ohne Priester ist nicht denkbar. Deshalb muss das ganze Volk Gottes im Gebet um das Geschenk neuer Priester bitten. Das ist meine Hoffnung. Und ich bin sicher, dass der Herr uns bald diese Gnade schenken und uns den Weg zeigen wird.“

(vatican news – sk)
 

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24. Juni 2022, 10:12