Ausnahmezustand in Sri Lanka: Religionen vereint für das Volk

Federico Piana und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

„Ich weiß mit Sicherheit, dass Ordensleute, Priester und Vertreter verschiedener Religionen bei den Protest-Camps in Colombo waren. Sie wollten dort die Menschen und ihren Schrei nach einer besseren Regierung unterstützen. Sie haben geistliche Unterstützung geboten und auch dazu beigetragen, dass Ruhe bewahrt wird und bei diesen Protesten eine friedliche und gewaltfreie Gesinnung vorherrscht", berichtet die italienische Missionarin Giovanna Fattori aus Sri Lanka im Interview mit Radio Vatikan.

Der Präsident haut ab ...

Präsident Gotabaya Rajapaksa hatte nach einem Volksaufstand am vergangenen Wochenende seinen Rücktritt angekündigt, sich nun aber mit seiner Familie auf die Malediven abgesetzt. So will er wohl einer Strafverfolgung entgehen -  als Präsident genoss er Immunität, die er nach seinem Rücktritt verloren hätte.

In Sri Lanka gibt es schon seit Monaten Proteste gegen die Regierung. Priester und Nonnen der katholischen Minderheit unterstützen die Proteste aktiv. Der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, hatte seit Wochen Rajapaksas Rücktritt gefordert. Sri Lanka steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit 1948. Giovanna hat das alles als Missionarin im Land hautnah mitbekommen:

... und hinterlässt ein Volk am Boden

„Seit mehreren Monaten hat die Wirtschaftskrise das Volk in die Knie gezwungen. Die Inflation beträgt inzwischen rund 55 Prozent. Lebensmittel, Medizin, Benzin, das alles können die Leute kaum noch bezahlen, und es ist auch alles Mangelware. Es gibt kilometerlange Schlangen, um vielleicht eine Gasflasche zu bekommen. Wir kochen schon seit Monaten nur noch über Holzfeuern. Das Leben ist immer schwieriger geworden und die Lebenshaltungskosten so hoch, dass gut 90 Prozent der Bevölkerung Probleme im Alltag haben."        

Die Kirche hilft, wo sie kann

Seit März dieses Jahres gab es massive Proteste gegen Präsident Rajapaksa und seinen Familienclan. Die Rajapaksas werden als Verantwortliche für die Misswirtschaft betrachtet, die das Land in den Staatsbankrott getrieben hat. Da fast alle betroffen sind, sei die Protestbewegung innerhalb des Volks auch sehr geeint, berichtet die Ordensfrau. Die katholische Kirche stehe schon seit Beginn der Krise an der Seite des leidenden Volkes:

„In erster Linie hören wir zu, es gibt so viele Leidensgeschichten, so viele Tote auch zu beklagen. Ein Neugeborenes starb zum Beispiel in den Armen der Mutter, weil sie es nicht rechtzeitig ins Krankenhaus schaffte, andere Menschen kamen in den kilometerlangen Warteschlangen unter der Hitze, aus Mangel an Essen oder Medizin, ums Leben. Es fehlt an Wasser und Strom. Das alles sind Leidensgeschichten, die wir nicht nur anhören, sondern auf die wir auch zu reagieren versuchen. Etwa mit Lebensmittelhilfen: Wir haben Reis, Linsen, Zucker und Mehl verteilt. Wir haben immer zu vermitteln und helfen gesucht, bei all den großen Schwierigkeiten der Leute, hier irgendwie durchzuhalten."     

Noch am Samstag hatten Vertreter verschiedener Religionen zudem gemeinsam für eine Besserung in Sri Lanka demonstriert:

„Gemeinsam mit den buddhistischen Mönchen und den muslimischen Imamen waren die Priester bei einer friedlichen Demonstration, wo die Leute gesehen haben, dass wir sie gemeinsam unterstützen und genauso wie sie die Missstände beklagen. Sie haben gespürt, dass wir alle präsent sind."

Wahl am 20. Juli

Gemeinschaft und Hilfe haben die Menschen auf Sri Lanka wohl weiter nötig; eine bereits vor Tagen angekündigte Allparteienregierung ist bisher aufgrund interner Konflikte nicht zustande gekommen.  Am 20. Juli soll das Parlament einen neuen Staatschef wählen. Für den Übergang hat Ranil Wickremesinghe das Präsidentenamt inne. Dies ist auch in der Verfassung so vorgesehen, wird bei vielen Demonstranten aber wohl auf Widerstand stoßen, denn Wickremesinghe gilt als enger Vertrauter des geflohenen Präsidenten. 

(vatican news/diverse - sst)