Südsudan: Sichere Geburt im Nirgendwo
Francesca Sabatinelli (Südsudan) und Stefan von Kempis (Vatikan)
Etwa hundert Kilometer trennen Rumbek von Yirol im südsudanesischen Bundesstaat Lakes – aber es kann bis zu vier Stunden dauern, um mit dem Auto dorthin zu gelangen. Und das auch nur, wenn es nicht regnet oder Kuhherden alles blockieren.
In diesem Streifen rot gefärbten Landes befindet sich das „Primary Health Care Center“ von Aluakluak, ein Gesundheitszentrum, in dem vor allem schwangere Frauen betreut werden, vor und nach der Geburt. Aber es bietet auch allgemeine Gesundheits-Dienstleistungen für 25.000 Menschen, die ansonsten überhaupt keine Chance auf irgendwelche Behandlungen hätten.
Lange Schlangen von Patienten - und wenig Ärzte
„Wir behandeln hier alle Arten von Patienten, von Kindern unter 5 Jahren bis zu Erwachsenen“, sagt uns Dr. Paul Luberga, der Koordinator des Zentrums. „Die Patienten kommen frühmorgens und drängeln sich überall; wir haben zwei Ärzte, die sich um sie kümmern. Unser größtes Problem besteht darin, dass es im Land so wenig Personal im Gesundheitsbereich gibt. Generell bildet der Südsudan nur wenige medizinische Fachkräfte aus, und viele fangen schon an zu arbeiten, bevor sie voll ausgebildet sind. Das kann heikel werden, wenn es um die Behandlung kritischer Krankheiten geht. Und natürlich ist auch die große Menge der Patienten eine Herausforderung.“
Manche kommen erst, wenn's zu spät ist
Dabei kommen viele Patienten erst zum Arzt, wenn ihre Krankheit schon weit fortgeschritten ist. Das ist vor allem bei Kindern unter fünf Jahren sehr schwerwiegend: Viele von ihnen sind stark unterernährt und längst dehydratiert, in kritischem Zustand.
„Durchfallerkrankungen, Malaria und Atemwegsinfektionen – das sind die häufigsten Krankheiten bei uns. Wir sind hier in einem Gebiet, in dem Malaria endemisch ist, gerade jetzt um diese Zeit: Es regnet, das Gras wächst, es gibt viele Tümpel, da brüten die Moskitos. Und die Menschen gehen jetzt auf die Felder, um zu pflanzen und anzubauen... Atemwegsinfektionen gehen im Moment ein wenig zurück, weil es weniger Staub gibt. Auch Aids-Fälle spielen bei uns eine große Rolle: Wir sind hier in einer isolierten Gegend, und die Menschen wissen zwar, dass es Aids gibt, aber mit den Vorsichtsmaßnahmen kennen sie sich nicht richtig aus.“
Man dürfe von der Bevölkerung nicht zuviel erwarten, was Gesundheitsvorsorge und Aufklärung über Krankheiten betreffe, sagt Dr. Luberga. „Wir sind hier in einer abgelegenen Region, die sanitären Verhältnisse sind schlecht, damit sind Durchfallerkrankungen vorprogrammiert. Die Leute benutzen keine Moskitonetze…“
Impfungen, Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen und Ernährungsscreenings: Das alles bietet das Gesundheitszentrum, das von der italienischen NGO Cuamm unterstützt wird, über die reine Notversorgung hinaus. Und seit einiger Zeit auch die Behandlung von geburtshilflichen Notfällen.
Der Krankenwagen kommt auch nachts
„Wir haben eine spezielle Abteilung für die Betreuung von Schwangeren und eine Entbindungsstation. Wir erteilen den werdenden Müttern Gesundheits- und Aufklärungsunterricht, untersuchen sie, geben ihnen Nahrungsergänzungsmittel. Wir haben auch einen Ambulanz-Service: Jede Patientin kriegt die Nummer des Krankenwagens und kann da direkt anrufen, wenn es Gefahrensymptome gibt, wenn sie blutet oder die Wehen einsetzen. Sogar mitten in der Nacht holt sie der Krankenwagen ab.“
Zusammenarbeit mit traditionellen Hebammen
Eine Besonderheit des Gesundheitszentrums besteht darin, dass es eine für die örtliche Gemeinschaft grundlegende Figur einbezieht, nämlich die traditionellen Hebammen. Diese Frauen genießen das bedingungslose Vertrauen der schwangeren Frauen und ihrer Familien, weil sie schon ganze Generationen von Kindern zur Welt gebracht haben.
„Seit 2014 gibt es traditionelle Hebammen im Gesundheitszentrum; dadurch fühlen sich die Frauen und ihre Familien in einer vertrauten Umgebung. Wenn eine Frau auf die Geburtsstation kommt, wird sie Vertrauen haben, wenn sie ein Gesicht sieht, das sie schon kennt. Sie wird dann denken, dass sie in guten Händen ist, auch wenn sie ihr Kind verliert – das kommt leider sehr, sehr oft vor bei uns, und wir wissen nicht genau, warum. Vielleicht hängt es mit der Mangel- oder Unterernährung zusammen, oder mit Malaria.“
Wenn sich die Mütter von gesunden Kindern vordrängeln
Vor einem Jahr habe die damalige Kinderärztin festgestellt, dass sich die Mütter von anscheinend gesunden Babys immer vordrängelten, während die Mütter von unterernährten Kindern resigniert abwarteten, erzählt Luberga. Seitdem gebe es einen eigenen Bereich für unterernährte Kinder, sechs Betten sind ständig für diese Fälle reserviert.
Die Verantwortlichen der Gesundheitsstation müssen sich mit vielen Problemen herumschlagen, die mit der Armut der Menschen hier zu tun haben. „Manche werdenden Mütter wollen nicht kommen, denn wenn sie zu uns kommen und entbinden, haben sie Schwierigkeiten, dann wieder in ihr Dorf zurückzukehren. Die Ambulanz bringt sie hierhin, aber dann gibt es keinen Rücktransport. Darum denken wir jetzt über einen Transport-Gutschein nach, damit die Schwangeren ermutigt werden, zu uns zu kommen.“
Sechs Stunden nach der Geburt schon wieder nach Hause gehen?
Die meisten Mütter wollen sechs Stunden nach der Geburt ihres Kindes wieder gehen, erzählt der Arzt. Aber eigentlich müssten sie mindestens 24 Stunden lang beobachtet werden. Allzulange könne man die Mütter aber auch nicht auf der Station behalten, denn es gebe dort nur 17 Betten für die Mütter.
Wo man auch hinsieht: Das Primary Health Care Center“ von Aluakluak steht vor vielen Herausforderungen. Auf diese Gegebenheiten in einem der ärmsten Länder der Erde will der Vatikan aufmerksam machen: mit der Südsudan-Reise von Kardinal Parolin ab diesem Montag, und mit einer Reise des Papstes, sobald es ihm seine Gesundheit erlauben wird.
(vatican news)
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