Suche

Expo-Gelände in Nur-Sultan: In dem weißen Zelt links im Bild findet der Papstgottesdienst statt Expo-Gelände in Nur-Sultan: In dem weißen Zelt links im Bild findet der Papstgottesdienst statt 

Kasachstan: Ein Blick auf die katholische Diaspora

Nicht nur zum Religionskongress reist Papst Franziskus, wenn er am Dienstag nach Kasachstan aufbricht. Er besucht auch eine kleine Diaspora-Kirche von gut 100.000 katholischen Gläubigen, unter denen früher viele Deutsche waren. Wir sprachen mit Angelika Schmähling, Kasachstan-Referentin beim katholischen Hilfswerk Renovabis.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Angelika Schmähling: Die Katholiken, das ist eine ziemlich kleine Gruppe, wahrscheinlich etwa ein Promille der Bevölkerung, also etwa, grob gesagt, 110.000 bis 120.000 Katholiken. Das ist also absolute Diaspora. Wie gesagt, die größte Gruppe sind Menschen mit russlanddeutschen oder polnischen Wurzeln. Das sind die Nachfahren von Menschen, die unter Stalin nach Kasachstan deportiert wurden. Es gibt inzwischen ein kleines Priesterseminar. Aber weiterhin ist es so, dass die meisten Priester und Ordensschwestern aus mittel- und osteuropäischen Ländern kommen, also als Missionare im Land sind.  Das ist das Interessante, dass es in Kasachstan sehr viele Ordensgemeinschaften gibt. Also da haben wir die Familie Mariens, Franziskanerinnen und dann auch geistliche Gemeinschaften wie Comunione e Liberazione, Opus Dei und noch viele andere.

Radio Vatikan: Inwiefern hängt das zusammen mit der Zeit nach der Unabhängigkeit Kasachstans von der Sowjetunion 1991?

Angelika Schmähling: Ja, Grund dafür ist, dass in den 90er Jahren der missionarische Eifer sehr groß war, das katholische Leben wiederzubeleben. Da muss man ein bisschen in die Vergangenheit gucken. Die katholische Kirche in Kasachstan hat eine ganz spannende Geschichte. Und zwar gab es durch die Russlanddeutschen, die deportiert wurden, katholische Inseln. Zum Beispiel in Karaganda. Da gab es ein Stadtviertel, das Berlin genannt wurde, und da gab es große Familien mit vielen Kindern, die Werths, die Messmers, Familien, aus denen so gut wie jedes Kind entweder Priester oder Ordensschwester geworden ist. Und das ist eben auch die Tragik, dass dann in den 90er Jahren, als es möglich war, so viele Menschen nach Deutschland ausgewandert sind und jetzt leider auch die Polen auswandern. Und das stellt die Kirche vor eine riesige Herausforderung, weil von den traditionellen Gläubigen sehr viele abgewandert sind.

Hier zum Hören:

Radio Vatikan: Was für eine Perspektive gibt es für die katholischen Gläubigen in Kasachstan unter diesen Umständen?

Angelika Schmähling: Es ist wichtig, dass die Kirche sich neue Zielgruppen sozusagen erschließt, also zum Beispiel die Pastoral noch stärker kasachischsprachig ausrichtet. Bis jetzt war sie hauptsächlich russischsprachig, damit man dann auch die Einheimischen anspricht. Wobei man immer sagen muss, dass eben ein Übertritt für einen Muslim sicher noch mal schwieriger ist als für den orthodoxen Christen. Also dann auch einfach glaubensferne Leute erreichen. Wichtig ist natürlich auch, dass die Kirche über ihre Struktur nachdenkt, dass sie angesichts der Diasporasituation realistische Strukturen aufbaut und erhält und auch, dass sie zum Beispiel die Gefahr des Klerikalismus vermeidet, dass sie Laien schult für die Arbeit in Gemeinden, denn das ist ja auch die Chance, aus der Vergangenheit zu lernen. Denn in der Sowjetzeit gab es ganz wenige Priester, und da haben die Frauen die Gemeinden aufrechterhalten. Das muss man klar sagen. Und ich denke, daran kann man gut anknüpfen. Das ist auch für uns bis heute ein gutes Beispiel, diese Glaubenszeugnisse.

Radio Vatikan: Die Frauen haben das Glaubensleben aufrechterhalten - ist das heute noch spürbar?

Angelika Schmähling: Da ist leider viel abgebrochen, denn, und das sagen einige Priester und Bischöfe inzwischen auch selbstkritisch: In den 90er Jahren kamen viele Missionare, sagten zu den Gläubigen ,So, danke schön, jetzt sind wir, die Priester, hier, jetzt nehmen wir das in die Hand'. Und ich fürchte, da sind viele von diesen gewachsenen Traditionen auch wieder abgebrochen. Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, sich darauf wieder zu besinnen. Zum Beispiel läuft gerade jetzt der Seligsprechungprozess für Gertruda Detzel, eine Frau, die sich in den 60er, 70er Jahren um die Gemeinde gekümmert hat in Karaganda. Wenn ein Priester da war, hat sie organisiert, dass Messen im Untergrund stattfinden konnten, und so weiter. Und ich denke, dieser Seligsprechungsprozess ist noch mal ein sehr gutes Beispiel, um eben auf diese starken Frauen hinzuweisen und auch künftig dann Frauen in der Kirche eine Stimme zu geben.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

13. September 2022, 09:36