Brasilien: Hoffnung auf Wandel
Der Präsident des Gerichts gab Lula als offiziellen Wahlsieger bekannt. Bolsonaro hatte bis Mitternacht brasilianischer Zeit noch keine öffentlichen Kommentare zu den Wahlergebnissen abgegeben. Human Rights Watch forderte noch in der Wahlnacht, Lula solle mit der Arbeit an einem Plan beginnen, um die „schädliche Politik" des rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro unter anderem in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Umwelt, Frauen, LGBT und Rechte von Ureinwohnern umzukehren. Bolsonaro sei „eine Katastrophe für die Menschenrechte im In- und Ausland" gewesen, sagte die Amerika-Direktorin der Organisation, Juanita Goebertus, in der Nacht zum Montag.
Lula soll im Januar Amt antreten
Der 77-Jährige Lula tritt sein Amt voraussichtlich am 1. Januar an.In seiner ersten öffentlichen Erklärung nach dem Wahlsieg rief der gewählte Präsident zu nationaler Einheit und zum Dialog zwischen Exekutive, Kongress und Justiz auf. Sein Engagement in Lulas erster Amtszeit galt unter anderem dem Kampf gegen Hunger, Armut, Gewalt gegen Frauen und indigene Völker, Rassismus und gegen die Abholzung des Amazonas.
„Das ist ein Sieg für die Demokratie und das Weltklima“
„Der Wahlsieg von Luiz Inácio Lula da Silva ist ein Sieg für die Demokratie, für die Armen, für die Umwelt, für das Weltklima.“ Davon ist der Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Pater Martin Maier, überzeugt. „Bolsonaro muss seine Niederlage nun anerkennen und Lula die zerrissene Gesellschaft nach diesem – in so einer Form nie dagewesenen – vergifteten Wahlkampf einen“, so Maier.
Die Stichwahl sei zu einer Entscheidung um die demokratische, soziale und ökologische Zukunft des Landes geworden. Das zeige dem Adveniat-Hauptgeschäftsführer zufolge ein offener Brief von mehr als 60 Bischöfen des Landes. Darin hätten sie den Wählern ungewöhnlich deutlich erklärt, dass es bei der Wahl um die Entscheidung zwischen zwei konträren Gesellschaftsmodellen gehe: „das eine demokratisch, das andere autoritär; das eine engagiert für den Schutz des Lebens, angefangen bei den Armen, das andere für die ‚Wirtschaft, die tötet‘ (Papst Franziskus in Evangelii Gaudium); das eine kümmert sich um Bildung, Gesundheit, Arbeit, Ernährung, Kultur, das andere schätzt die öffentliche Politik gering, weil es die Armen verachtet“.
Arme hegen große Hoffnungen
Die Hoffnungen insbesondere der armen Bevölkerungsmehrheit auf eine andere Politik seien groß. Schließlich sei es Lula zwischen 2003 und 2011 gelungen, die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, deutlich zu verringern. „Der neugewählte Präsident muss nun seinen Versprechen auch Taten folgen lassen“, betont Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier. Insbesondere beim so dringend notwendigen Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der dort lebenden indigenen Völker habe Lula in der Vergangenheit zu viele Kompromisse gemacht. „Ich erinnere nur an den Bau des Belo-Monte-Staudamms, der auch unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva massiv vorangetrieben worden war. Damit wurde die Lebensgrundlage tausender Indigener genauso vernichtet, wie zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Diese gigantischen Infrastrukturprojekte sind für das Leben und das ökologische Gleichgewicht vor Ort sowie für das Weltklima eine Katastrophe“, so Maier. Im Wahlkampf hatte Lula angekündigt, den Amazonas-Regenwald, der als „Lunge der Erde“ gilt, zu schützen, den von ihm 2008 aufgelegten Amazonas-Fonds zur Aufforstung wiederzubeleben und die unter Bolsonaro massiv geschwächten Umwelt- und Indigenen-Behörden zu stärken.
Von der deutschen Bundesregierung erwarte Adveniat-Hauptgeschäftsführer Maier eine aktivere Rolle auf dem Subkontinent: Angesichts der zahlreichen ermordeten Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer in Brasilien und ganz Lateinamerika müsse Deutschland die angekündigte menschenrechtsbasierte und auch feministische Außenpolitik nun auch in die Tat umsetzen. „Solange es sich für die Gewinnmaximierung einiger weniger lohnt, auf gigantischen Plantagen Futtermittel für die Fleischproduktion im Norden anzubauen und Rohstoffe für die Industrieproduktion im Norden auszuplündern, solange werden die Regenwälder brennen und die Flüsse vergiftet werden“, stellt Maier klar.
(kna/pm - sst/mg)
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