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Demonstranten setzen Reifen in der Hauptstadt Port-au-Prince in Brand, um gegen den Treibstoffmangel zu protestieren Demonstranten setzen Reifen in der Hauptstadt Port-au-Prince in Brand, um gegen den Treibstoffmangel zu protestieren 

Haiti: Gewalttätige Anschläge auf kirchliche Einrichtungen

Auf Haiti werden zunehmend kirchliche Einrichtungen und Mitarbeiter von militanten Banden angegriffen. Das berichtet Schwester Marcella Catozza gegenüber dem weltweiten katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“. Die italienische Missionsfranziskanerin leitet ein Waisenhaus mit 150 Kindern in einem Armenviertel der Hauptstadt Port-au-Prince. Derzeit kann sie aber nicht nach Haiti zurück.

„Es herrscht ein unbeschreibliches Chaos. Bewaffnete Gangs haben die Macht übernommen. Auch die Kirche ist Opfer der Gewalt geworden“, klagt Schwester Marcella. Sie erinnert an die Missionarin Luisa Dell´Orto, ebenfalls Italienerin. Die Ordensschwester war am 25. Juni 2022 ermordet worden. „Erst hieß es, es sei ein Raubüberfall gewesen. Aber ich bin überzeugt, dass jemand dafür gezahlt hat, sie zu töten. Es konnte immer noch kein Täter gefasst werden“.

Die ermordete Schwester Luisa bei ihrer Arbeit in Haiti
Die ermordete Schwester Luisa bei ihrer Arbeit in Haiti

Brandstiftung, Plünderung, Mord

Zwei Wochen später hätten Bandenangehörige die Kathedrale der Hauptstadt in Brand gesetzt, erinnert Schwester Marcella. „Als die Feuerwehrleute kamen, haben sie versucht, diese zu töten. Anschließend wollten sie mit einem Lastwagen die Mauern der Kirche einreißen.“

In anderen Landesteilen sei es ebenfalls zu Übergriffen auf kirchliche Einrichtungen gekommen: „In Port-de-Paix, Les Cayes und in weiteren Städten haben bislang unbekannte Täter in die Einrichtungen der Caritas eingebrochen. Sie nahmen alle Hilfsgüter mit, die dort eingelagert waren. Anschließend haben sie die Büros der Mitarbeiter zerstört“, erzählt Schwester Marcella.

„Vergangenen Monat wurde unsere Kapelle in Brand gesetzt“

Auch ihr Kloster in der Hauptstadt sei angegriffen worden: „Vergangenen Monat wurde unsere Kapelle in Brand gesetzt. Wir haben keinen Altar mehr, keine Kirchenbänke.“ Kriminelle Gangs hätten das Stadtviertel, in dem Schwester Marcella arbeitet, abgeriegelt. Ihr Orden habe sie deshalb gebeten, nach einem Heimaturlaub in Italien vorerst nicht nach Haiti zurückzukehren. „Es soll nicht noch eine Ordensfrau zur Märtyrerin werden. Es ist sehr hart für mich, nicht bei meinen Leuten zu sein.“

„Es ist unmöglich, unter diesen Bedingungen zu leben“

Die Lage der Menschen in Port-au-Prince und anderen Landesteilen sei verheerend: „Die Stadt ist in den Händen von Gangs. Die Menschen hungern. Die Schulen sind geschlossen. Die Krankenhäuser machen zu, weil sie keinen Strom mehr haben. Es ist unmöglich, unter diesen Bedingungen zu leben“, so die Ordensfrau. In dem Stadtviertel, in dem sie ihr Waisenhaus betreibt, lebten aktuell mehr als 100 000 Menschen in Blechhütten, ohne Strom und Wasser.

Das Schmerzlichste für sie sei jedoch die Gleichgültigkeit gegenüber der Lage in Haiti, beklagt Schwester Marcella: „Es sieht so aus, als ob sich niemand dafür interessiert, was in Haiti passiert. Niemand spricht über uns. Niemand weiß, was vor sich geht.“

Demonstranten fordern die Abdankung von Haitis Premierminister Ariel Henry
Demonstranten fordern die Abdankung von Haitis Premierminister Ariel Henry

Haiti befindet sich seit Jahren in einer bürgerkriegsähnlichen Situation. Nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 ist der Inselstaat ohne funktionsfähige politische Führung. Es gibt bislang keinen Termin für Neuwahlen. Der Machtkampf wird auf den Straßen ausgetragen. Menschen demonstrieren gegen die Bandengewalt. Die Not wird durch die Folgen mehrerer Naturkatastrophen verschärft – wie zuletzt ein schweres Erbeben im August 2021.

(kirche in not - cs)

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17. Oktober 2022, 10:03