Ein österreichischer Patriarch im Venedig des 19. Jahrhunderts
Eigentlich wollte er Soldat werden. Die Liebe zu Büchern führte ihn ins Kloster – doch keineswegs in die Abgeschiedenheit. Reich an Talenten, dabei bescheiden und leutselig, ein Mann, dem alle Sympathien zuflogen, passionierter Musiker, Kunstförderer, Dichter, befreundet mit Kaisern, Bauern und Salondamen: Das war Johann Ladislaus Pyrker. Heute ist dieser österreich-ungarische Kirchenmann fast unbekannt, doch der historisch versierte Abt von Stift Lilienfeld in der Diözese St. Pölten, Pius Martin Maurer, versucht das gerade zu ändern. Er hat mit „Der Patriarch“ ein auf Pyrkers Autobiografie gestütztes Buch vorgelegt, das den Lebenslauf des Zisterzienser-Mitbruders kurzweilig anhand von Anekdoten abbildet.
Wie lässt sich Johann Ladislaus Pyrker am besten auf den Punkt bringen?, wollten wir von Abt Pius wissen.
„Er war tatsächlich ein richtiger Networker. Er hat mit dem Kaiserhaus gute Kontakte gepflegt. Er hat einige wichtige Talente sehr gefördert, ein großer Förderer von Franz Schubert, von Franz Grillparzer. Er war also immer daran interessiert, Talente zu fördern. Aber nicht nur von den berühmten Leuten, sondern auch von einfachen Leuten, allen, denen er begegnet ist.“
Johann Ladislaus Pyrker, geboren in Ungarn in eine Gutsverwalterfamilie aus Tirol, zweisprachig deutsch-ungarisch augewachsen, war in jungen Jahren Wandersbursche in Italien, trat dann in Lilienfeld bei den Zisterziensern ein, lernte neben Theologie auch Französisch und Englisch, streifte gern durch die Alpen und begründete den Ruf des Salzburger Kurortes Bad Hofgastein, wo bis heute Brunnen, Straßen und Villen seinen Namen tragen.
Er war 42, als die Mitbrüder ihn zum Abt wählten. Das mittelalterliche Stift Lilienfeld war zwei Jahre zuvor fast komplett abgebrannt. Den Wiederaufbau betrieb Pyrker mit Energie und Erfolg. Als Musikliebhaber setzt der Abt eine kühne Bildungsmaßnahme durch: Mitarbeiter im Stift durfte nur werden, wer ein Instrument spielte oder im Stiftschor mitsang. Jeden Sonntagnachmittag im Winter tönten fortan Symphonien, Kantaten, Oratorien durchs Stift, der Abt spielte die Klarinette.
Der Kaiser macht ihn zum Patriarchen von Venedig
1818 wurde Pyrker zum Bischof von Zips in der Slowakei bestimmt, und zwar von Kaiser Franz von Österreich - so war das damals mit den Bischofsernennungen im Habsburgerreich. Drei Jahre später machte der Kaiser den Zisterzienser, der mit ihm einen ausgesprochen guten Draht hatte, zum Patriarchen von Venedig, das nach dem Wiener Kongress an Österreich gefallen war. Pyrker wollte absolut nicht nach Venedig, doch der Kaiser traf seine Entscheidung. Weinend reiste der Zisterzienser aus Lilienfeld ab. In der Lagunenstadt sah sich der neue Patriarch einer immensen sozialen Aufgabe gegenüber. Venedig war zu der Zeit bitterarm.
„Pyrker hat die Armenfürsorge dort neu geregelt. Er war praktisch jener, der die dortige Caritas neu geordnet hat. Außerdem hat er bewirkt, dass Venedig damals einen Freihandelshandelshafen bekam, einen Hafen, der zollfrei ist. Den hat es übrigens auch heute noch. Und das war damals ganz wichtig für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung von Venedig.“
Pyrker führte in Venedig die Predigt ein
Außerdem setzte der neue Patriarch von Venedig durch, dass Priester in der Sonntagsmesse predigen, was zuvor in Venedig nicht Sitte war. Pyrker, der Belesene, sah auch darin eine Maßnahme zur Volksbildung.
„Es war ihm wichtig, die Fähigkeiten des Menschen zur Entfaltung zu bringen“, resümiert Abt Pius Maurer. „Gleichzeitig war eine empfindsame Persönlichkeit und dadurch gerade auch gegenüber den Feinheiten der deutschen Sprache sehr aufmerksam. Und so wurde er auch ein Dichter, hat sich gerne mit Dichtung beschäftigt und war gleichzeitig ein großer Förderer von anderen Künstlern.“
Als Dichter hat Johann Ladislaus Pyrker Historiendramen wie auch Epen vorgelegt, erzählende Versdichtungen also, ein anspruchsvolles Genre, das seit dem Mittelalter beliebt war, im 19. Jahrhundert aber langsam an Beliebtheit einbüßte.
Die letzten Lebensjahre wirkte der vielseitige Kirchenmann als Erzbischof von Eger/Erlau in Ungarn. Und auch dort wurde er wieder zum Baumeister: Er errichtete die Kathedrale. Ein letztes Mal noch reiste er nach Venedig, das weder vor noch nach Pyrker jemals wieder einen Patriarchen deutscher Muttersprache hatte. Als Johann Ladislaus Pyrker am 2. Dezember 1847 – vor 175 Jahren - in Wien starb, ging ein ganz erstaunliches Kirchenleben zwischen ungarischer Tiefebene, Alpen und Adria zu Ende.
(vatican news – gs)
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