NGO zu Bevölkerungswachstum: Afrika in den Blick nehmen
Nun ist es soweit: einer Projektion der Vereinten Nationen zufolge hat die Weltbevölkerung an diesem Dienstag die Marke von acht Milliarden Menschen erreicht. Für die UNO, die die Statistiken berechnet hat, stellt dies einen wichtigen Meilenstein in der menschlichen Entwicklung dar, „ein Zeugnis für wissenschaftliche Durchbrüche und Verbesserungen in den Bereichen Ernährung, öffentliche Gesundheit und Abwasserentsorgung“. Doch, so mahnt UN-Generalsekretär Antonio Guterres in diesem Zusammenhang, „wenn wir die Kluft zwischen den Reichen und den Armen der Welt nicht überbrücken, müssen wir uns auf eine Welt voller Spannungen und Misstrauen, Krisen und Konflikte einstellen“.
Eine Milliarde neue Bürger in zwölf Jahren
Nur zwölf Jahre hat es gedauert, bis die Weltbevölkerung von sieben auf acht Milliarden angestiegen ist, während 70 Prozent dieses Anstiegs in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu lokalisieren ist. Berechnungen zufolge wird die Menschheit in den 2080er Jahren einen Höchststand von rund 10,4 Milliarden Menschen erreichen und bis 2100 auf diesem Level bleiben. Angesichts des Altersdurchschnitts in entwickelten Ländern sei allerdings davon auszugehen, dass der Bevölkerungsanstieg bis 2050 weiterhin nur in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen stattfinden wird, während in Ländern mit hohem Einkommen vor allem die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen steigen wird, so die UN-Prognose.
Auf diesen „demografischen Winter“ in den westlichen Industrienationen, dem die steigenden Geburtenraten in Asien und vor allem in Afrika gegenüberstehen, weist Franziskus immer wieder hin. Wie die UN in ihrem Statement betonen, sei diese Entwicklung zwar den positiven Auswirkungen des wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritts und der damit verbundenen höheren Lebenserwartung geschuldet, berge aber auch die Gefahr eines zunehmenden Wettbewerbs um Ressourcen wie Wasser und Nahrungsmittel, die aufgrund eines unausgewogenen Entwicklungsmodells zugunsten der reicheren Länder bereits bis an die Grenzen belastet sind.
In Afrika sind Kinder die einzige Garantie für die Zukunft
Insbesondere in Afrika werden vier Länder - Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien und Tansania - zu den acht Ländern gehören, die bis 2050 mehr als die Hälfte des weltweiten Wachstums tragen werden, wobei viele Länder im subsaharischen Teil des Kontinents ihre Bevölkerung verdoppeln werden. „Die Wachstumsrate ist sicherlich bedeutend und auch positiv für Länder, die eine sehr viel niedrigere Geburtenrate haben“, erklärt der Priester Dante Carraro, Direktor von „Ärzte für Afrika (CUAMM)“, gegenüber Radio Vatikan: „Ich denke dabei zum Beispiel an Europa, wo es weniger Geburten gibt, weshalb es mehr Arbeitskräfte und Energien benötigt, um seine Tradition fortzuführen. Und auf der anderen Seite die Länder, die eine sehr hohe Geburtenrate haben, was zu komplexen Problemen für die Erde führt in Sachen Nachhaltigkeit, Wirtschaft, Umwelt und Ressourcen.“
Kindersterblichkeit verringern
Deshalb müsse man dieses Phänomen aufmerksam untersuchen und dürfe keinesfalls übereilte Schlüsse ziehen, auch was eventuelle Gegenmaßnahmen betreffe, mahnt der Priester und Arzt, der mit seiner Organisation in 41 Ländern der Welt arbeitet – allein acht davon in Afrika, wo sich das Bevölkerungswachstum besonders niedergeschlagen hat. „Das kann ich selbst bezeugen: als Beispiel kann ich Äthiopien anführen, wo es vor 30 Jahren 80 Millionen Einwohner gab, jetzt sind es 120. Oder Uganda, das hat vor rund 25 Jahren 25 Millionen Einwohner gehabt, jetzt 40 Millionen…“ Paradoxerweise spielten bei dieser Entwicklung die hohe Kindersterblichkeit, aber auch die große Armut eine entscheidende Rolle, unterstreicht Carraro.
„Arme Länder mit wenigen Ressourcen, wie die in Afrika, sehen in Arbeitskräften ihre einzige Stärke und die einzige wirkliche Antwort auf die extreme Armut. Viele Kinder zu haben, bedeutet also davon auszugehen, dass von zehn Kindern mindestens fünf überleben und somit in der Lage sein werden, die Familie durch Arbeit auf den Feldern und im Kleingewerbe weiter zu unterstützen. Für diese Länder ist die Tatsache, mehr Kinder zu haben, in gewisser Weise die Garantie für ihre Zukunft.“
Drei Faktoren tragen zu Wachstum bei
Es gebe drei Elemente, die zu einem demographischen Wachstum beitrügen, erläutert der Chirurg mit Blick auf entsprechende Daten der Weltbank: „Eines ist das Bruttoinlandsprodukt. Je niedriger es ist, desto größer ist der Druck auf die Geburtenrate. Eine Steigerung des Wohlstands der Bevölkerung führt daher dazu, dass die Menschen weniger Angst vor der Zukunft haben und daher weniger Kinder bekommen.
Das zweite Element ist das fehlende ,Empowerment‘, das heißt, die mangelnde Ausbildung von Frauen und Mädchen und damit die in afrikanischen Kontexten oft geringe Bildung. Deshalb ist eine gute Ausbildung von Mädchen und Frauen so wichtig. Je niedriger das Bildungsniveau der Frauen, desto höher die Geburtenrate. Das dritte Element, das auf die Demographie Einfluss hat, ist die Kindersterblichkeit: Je höher sie ist, desto mehr Kinder sterben und desto höher ist die Fruchtbarkeit. Denn um fünf Kinder zu haben, muss man zehn bekommen, wobei man davon ausgeht, dass fünf sterben.“
Kulturwandel, der seine Zeit braucht
Es sei deshalb unter anderem Aufgabe der Ärzte, die Kinder entsprechend zu versorgen und die Kindersterblichkeit zu verringern, „um damit die Botschaft an die Frauen und Familien auszusenden, dass sie auch mit vier oder fünf Kindern für ihre Zukunft vorgesorgt haben,“ gibt Carraro zu bedenken. Dies sei jedoch ein Kulturwandel, der seine Zeit brauche.
„Wir haben ein Fünfjahresprogramm, das nun schon seit fünfzehn Jahren läuft. In den letzten fünf Jahren haben wir uns dafür eingesetzt, die Schwangerschaft von fünfhunderttausend Müttern zu unterstützen, was bedeutet, ihnen eine sichere Entbindung zu garantieren. Gemeinsam mit den Müttern kümmern wir uns um die Neugeborenen, senken die Sterblichkeitsrate und haben so einen Einfluss auf die Geburtenrate“.
Carraro führt dafür auch ein konkretes Beispiel an: In der Subsahara-Region habe 1980 die durchschnittliche Anzahl von Kindern pro Frau bei 6,7 Kindern gelegen, 2020 bei 4,6.
„Die Herausforderung besteht darin, unsere Arbeit auch in diesen Tagen fortzusetzen, in denen der Krieg in der Ukraine schreckliche Auswirkungen auf Afrika hat. Die Arzneimittelpreise steigen, ebenso die Transportpreise. Der Dieselpreis explodiert und alles wird schwieriger. Die Gefahr besteht, dass Afrika einen Rückschritt macht, und dass damit auch die Anstrengungen dafür, die Geburtenrate zu kontrollieren, zunichte gemacht werden und die Geburtenrate sogar wieder weiter ansteigt.“
(vatican news - cs)
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