Italien: Kirchlicher Flüchtlings-Beauftragter mahnt Regierung
Amedeo Lomonaco und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Italien hat unter der neuen Rechtsregierung seinen Ton gegenüber Migranten und Flüchtlingen verschärft und privaten Seenotrettern die Arbeit erschwert. Die Regierung unter Giorgia Meloni wollte jüngst bei von Nichtregierungsorganisationen aus Seenot geretteten Migranten auf dem Mittelmeer in italienischen Häfen so genannte „sbarchi selettivi“ (ausgewählte Anlandungen) einführen - und nur einen Teil der Bootsflüchtlinge an Land lassen, der als besonders schutzbedürftig erachtet wurde.
Helfer und internationale Organisationen kritisierten das Vorgehen. Das Seenotrettungsschiff „Ocean Viking" der Nichtregierungsorganisation „SOS Mediterranée" mit 230 Migranten an Bord durfte in Italien nicht anlegen und musste auf den französischen Hafen Toulon ausweichen. Der Flüchtlings-Beauftragte der italienischen Bischofskonferenz, Erzbischof Giancarlo Perego von Ferrara-Comacchio, erklärte im Gespräch mit Radio Vatikan, dass er sich von der Regierung ein anderes Vorgehen wünscht:
„Was Asylsuchende angeht, alle die - wie wir wissen - aus unmöglichen Lebensumständen fliehen, müssen geregelte humanitäre Zugangsmöglichkeiten im Zentrum stehen, die über humanitäre Korridore hinausgehen, die nur Leute betreffen, die festsitzen. Gleichzeitig müssen Notrettung und Anerkennung des Internationalen Schutzes sowohl an den See- als auch an den Landesgrenzen ins Zentrum gerückt werden, wo sich ähnliche Situationen wie auf See abspielen."
Perego äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage der Vatikanmedien zum Auftakt des „Festival Migrazione" im italienischen Modena, das die italienische Bischofskonferenz inzwischen bereits zum siebten Mal organisiert. Die dreitägige Veranstaltung steht dieses Jahr unter dem Motto: „Accoglienza, cittadinanza, nuove opportunità: come fratelli" (Aufnahme, Staatsangehörigkeit, neue Möglichkeiten: Wie Geschwister).
„Aufnahme heißt, dass Migranten nicht als Fremde ankommen, sondern sofort als Menschen erkannt und begleitet werden, und zwar gemäß dem, was uns Papst Franziskus dazu immer wieder sagt: Auf die Aufnahme muss der Schutz aller Menschen folgen, die Förderung und Anerkennung der Fähigkeiten jedes Einwanderers und dann die Integration."
Ohne Staatsbürgerschaft kaum Rechte
Die italienische Regierung sieht der Flüchtlingsbeauftragte der katholischen Bischofskonferenz auch in der Pflicht, wenn es um die Staatsbürgerschaft für Migranten und Flüchtlinge geht. Hier müssten Prozesse beschleunigt werden, so Erzbischof Perego:
„Zuerst müssen die Menschenrechte aller anerkannt werden. Dazu gehört auch die Staatsangehörigkeit. Wenn die Menschen nicht als Staatsangehörige, als Bürger unserer Städte anerkannt werden, haben sie auch keine Rechte. Bisher sind gut 1.400.000 Einwanderer italienische Bürger geworden. Aber viele Minderjährige noch nicht. 70 Prozent der minderjährigen Migranten, die unsere Schulen besuchen, sind noch keine italienischen Staatsbürger..."
Ebenfalls wichtig ist dem Erzbischof das Thema Arbeit. Migranten und Flüchtlinge dürften hier nicht ausgenutzt werden, mahnt er. Dies gelte übrigens besonders für Frauen:
„Frauen sind zahlenmäßig in Italien stärker vertreten unter den Einwanderern als Männer. Das zeigt sich auch im Arbeitsbereich. Daher muss auch die Arbeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit bei der Einwanderung rücken".
(vatican news/diverse - sst)
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