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Vatikan: 400 Jahre Missionskongregation

Unter welchen Voraussetzungen kann Evangelisierung heute gelingen, und welche Lehren gilt es aus der Vergangenheit zu ziehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich 400 Jahre nach der Gründung der Missionskongregation Propaganda Fide im Jahr 1622 die Teilnehmer an der Konferenz „Euntes in mundum universum“ an der Päpstlichen Universität Urbaniana.

Vor 400 Jahren, genauer am 22. Juni 1622, wurde die Congregatio de Propaganda Fide von Gregor XV. mit der Bulle Inscrutabili Divinae eingerichtet. Diesen Jahrestag nahm die Päpstliche Universität Urbaniana zum Anlass, gemeinsam mit dem Dikasterium für Evangelisierung und den Päpstlichen Missionswerken die internationale Studientagung auszurichten, die an diesem Mittwoch startete und noch bis Freitag geht.

Die Konferenz stellt auch eine Gelegenheit dar, die Beziehung zwischen Mission und Kolonisierung neu zu bewerten und die Bedürfnisse der Evangelisierung in heutiger Zeit unter die Lupe zu nehmen. Das sagte der Vorsitzende des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, Bernard Ardura, gegenüber Radio Vatikan.

Der historische Palast der Kongregation in der römischen Innenstadt
Der historische Palast der Kongregation in der römischen Innenstadt

„Egal in welches Land unsere Vorgänger kamen, so fanden sie dort doch immer religiöse Menschen“

„Die Frage der Evangelisierung ist eine absolut aktuelle Frage, die sich zu jeder Zeit stellt. Wir schauen auf die Vergangenheit, sehen 400 Jahre Aktivität der Kongregation, aber gleichzeitig sind wir uns der Bedürfnisse der Evangelisierung in der heutigen, ganz anders gelagerten, Welt sehr bewusst. Denn egal in welches Land unsere Vorgänger kamen, so fanden sie dort doch immer religiöse Menschen. Das ist heute nicht mehr so: Heute finden wir Gesellschaften, in denen die Menschen kein Interesse mehr an Religion verspüren, nicht mehr diesen Hunger und Durst nach Spiritualität haben. Und das ist eine große Herausforderung. In diesem Sinn ist diese Tagung historisch - eine Tagung, die auch heute noch Früchte bringen kann.“

Gefahr einer Vermischung von Mission und Kolonisierung

Auch das heikle Verhältnis zwischen den missionarischen Absichten der Kirche und dem Opportunismus von Staaten, die in der Missionierung eine Unterstützung ihrer Kolonialisierungsziele sahen – lange war die Mission in der Hand der katholischen Souveräne von Spanien und Portugal – sei Gegenstand der Betrachtungen, erläutert der Chefhistoriker des Vatikans. „Man muss sagen, dass die Versuchung für alle Kolonialmächte groß war, die Kirche und die Missionare dazu zu benutzen, ihren Einfluss auszuweiten. Deshalb hat es sicher Momente gegeben, in denen Missionare nicht nur das Evangelium mitgebracht haben, sondern auch den Wunsch, die Art zu leben, zu denken und zu handeln des eigenen Landes einzuführen.“

Pater Ardura
Pater Ardura

Die aktuelle Tagung solle nun gerade dazu beizutragen, diese Denkweise zu beleuchten und ein neues Bewusstsein dafür zu entwickeln, hofft der Chefhistoriker. Auf der anderen Seite sei allerdings bereits durch zeitgenössische Dokumente belegt, dass dieses Risiko der Kirche von Anfang an bewusst gewesen sei – und auch Versuche unternommen worden seien, diesem entgegenzutreten:  

„Von Anfang an hat die Missionskongregation eine klare Warnung an die Missionare ausgesprochen: Ihr sollt das Evangelium bringen, nicht eure Kultur. Explizit haben sie geschrieben: es wäre absurd, Frankreich, Italien oder Spanien nach China bringen zu wollen“.

„Ihr sollt das Evangelium bringen, nicht eure Kultur“

Aus den Dokumenten – die übrigens für interessierte Forscher schon seit langem in den Archiven der Propaganda Fide zur Verfügung stünden - gehe beispielsweise hervor, dass es den Missionaren in Lateinamerika verboten gewesen sei, Beichten zu hören oder zu predigen, wenn sie die Sprache der Indigenen in ihren Missionsgebieten nicht beherrschten, erläutert der Historiker. „Es besteht das Verbot, die Beichte auf Spanisch abzunehmen! Und das von Anfang an“, unterstreicht Ardura: „Später, mit der Entwicklung der Kulturen unter dem Einfluss der Spanier und Portugals, änderte sich die Situation. Aber von Anfang an bestand diese Notwendigkeit, die Missionare zu ,indigenisieren‘.“

Missionare indigenisieren, nicht andersrum

Als Beispiel aus dem letzten Jahrhundert führt der Experte den Aufruf Benedikts XV.' in seinem Apostolischen Schreiben Maximum illud (30. November 1919) an, jede nationalistische und ethnozentrische Verschließung, jeden Kompromiss in der Verkündigung des Evangeliums mit den Kolonialmächten, mit ihren wirtschaftlichen und militärischen Interessen zu überwinden. Dieser Aufruf sei „immer relevant“, betont Ardura: „Benedikt XV. erinnerte damals daran, dass die Öffnung der Kultur und der Gemeinschaft für die heilbringende Neuheit Jesu Christi die Überwindung jeder ungebührlichen ethnischen und kirchlichen Einmischung erfordert.“

Notwendigkeit eines einheitlicheren Vorgehens

Unter anderem habe eines der Ziele der Kongregation von 1622 auch darin bestanden, die Verwaltung der Missionen auf der Grundlage des Patronatssystems durch ein anderes System zu ersetzen, das die Förderung der Evangelisierungsaktivitäten besser gewährleisten und es den Missionaren ermöglichen sollte, die Herzen und den Verstand der örtlichen Bevölkerung zu gewinnen. „Die Reform war dringend notwendig, um angesichts der wachsenden Zahl von Missionaren aus verschiedenen religiösen Instituten und Weltgeistlichen, die sich für die Verbreitung des Glaubens einsetzen, ein einheitlicheres und konzertierteres Vorgehen zu erreichen. Die Kongregation sollte die Missionstätigkeit der Kirche koordinieren und leiten, die bis dahin von den katholischen Herrschern Spaniens und Portugals kontrolliert worden war.“

Langer Prozess

Die Gründung der Kongregation sei die Frucht eines langsamen Prozesses gewesen, der während des Pontifikats von Gregor XIII. (1572-1585) begonnen wurde, erläutert Ardura. „Es war ein Prozess, der sich in einer von Sixtus V. tiefgreifend umgestalteten römischen Kurie vollzog, in der die zuvor dem Konsistorium vorbehaltenen Zuständigkeiten auf ein System spezialisierter Kongregationen übergegangen waren. Das Anliegen der Verteidigung und Verbreitung des Katholizismus legte Gregor XV. (1621-1623) die Gründung einer Kongregation nahe, die sich ausschließlich der Verbreitung des Glaubens widmen sollte, und zwar sowohl in den Ländern, in denen die von Rom getrennten Christen des Ostens lebten, als auch in den noch zu erforschenden Gebieten, zumal Holland und England zwar nach Handel und kolonialer Expansion strebten, aber auch bereit waren, die Lehren des Protestantismus überall zu verbreiten“, ordnet der Geistliche die historischen Umstände ein.

Mission betrifft nicht nur neue Gebiete

Er erinnert daran, dass der Name der Kongregation von Paul VI. mit der Apostolischen Konstitution Regimini Ecclesiæ universæ vom 15. August 1967 in „Kongregation für die Evangelisierung der Völker“ geändert wurde. Dem zugrunde sei die Überzeugung gelegen, dass der Begriff „Propaganda“ einen negativen Beigeschmack mit sich bringen könnte. Und noch einen weiteren Meilenstein nennt der Historiker: Mit dem Inkrafttreten der Apostolischen Konstitution Praedicate evangelium von Papst Franziskus am 5. Juni 2022 sei die Kongregation als solche de facto aufgelöst worden, da sie zusammen mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung das neue Dikasterium für Evangelisierung bildet. „Mit der neuen Struktur des Dikasteriums für die Evangelisierung soll auch betont werden, dass die Verkündigung des Evangeliums nicht nur die Gebiete betrifft, die noch nicht evangelisiert wurden, sondern auch jene, die im Laufe der Jahrhunderte die Verkündigung erhalten haben und in denen die Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung der Männer und Frauen besteht, die heute in den neuen Kulturen leben, die sich oft außerhalb der christlichen Werte gebildet haben. Auf diese Weise will die Kirche den Auftrag Jesu erfüllen, allen Menschen die Botschaft des Heils zu bringen.“

(vatican news - cs)

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16. November 2022, 13:29