Jesuiten: Bittere Jahresbilanz
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Das sagte der 30. Nachfolger des hl. Ignatius von Loyola am Mittwochabend in Rom vor Journalisten.
„Wir erleben einen Wechsel der historischen Epoche, dessen Folgen wir noch kaum erahnen. Die Welt, die aus der traumatischen Erfahrung der Covid-19-Pandemie heraustritt, zeigt sich noch stärker von Ungleichheit geprägt – mit sozialen Strukturen, die die Ungerechtigkeit vergrößern. Wir machen wichtige Veränderungen durch, was die Geopolitik und die Umwelt betrifft, aber es ist ein Prozess des Niedergangs, weil Entscheidungen nicht gefällt oder weil sie immer wieder verschoben werden.“
Verpasste Gelegenheit
Er fürchte, dass die Menschheit drauf und dran sei, „eine Gelegenheit zu verpassen“, um mit „strukturellen Veränderungen“ Probleme wie Armut, Migration, Gewalt oder Klimawandel anzugehen.
Bestürzt zeigte sich der Jesuiten-General auch über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Immerhin habe der Orden mehr als zehn Millionen Euro an Spenden sammeln können, um damit Menschen in der Ukraine selbst sowie Ukraine-Flüchtlingen in 14 europäischen Ländern beizustehen.
Verpflichtung auf Kinderschutz
Ausführlich beschäftigte sich der aus Venezuela stammende Generalobere mit dem Themenkomplex Missbrauch und Kinderschutz. „Die 36. Generalkongregation hat die ganze ‚Gesellschaft Jesu‘ 2016 auf eine Kultur des Schutzes von Kindern, Jugendlichen und gefährdeten Personen verpflichtet. Ein kultureller Prozess dieser Art erfordert lange Prozesse und immer neues Lernen. Es wurde eine große Anstrengung gemacht, um zu erreichen, dass die ganze ‚Gesellschaft Jesu‘, auch wenn sie in ganz unterschiedlichen Kontexten verwurzelt ist, in dieser Hinsicht doch zu einer einzigen Linie des Umgangs mit Fällen und zu klaren Präventionsregeln kommt.“
Heute gebe es ein „klares Lagebild“, an welchem Punkt jede der ungefähr siebzig Verwaltungs-Einheiten des Ordens beim Umgang mit Missbrauchsfällen und bei der Prävention stehe. Viel bleibe allerdings – für den Orden, für die Kirche und für die Gesellschaft insgesamt – noch zu tun, was die Fälle von „gefährdeten Erwachsenen“ betreffe, räumte Pater Sosa ein.
„Der Fall von Pater Marko Rupnik, der letzte Woche bekannt wurde, ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel wir noch lernen müssen, vor allem was das Leiden von Menschen betrifft. Dieser Fall erfüllt uns, wie andere auch, mit Schrecken und Schmerz; er drängt uns dazu, das Leiden der darin verwickelten Menschen zu verstehen und zu respektieren. Gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, die Verfahren in Gang zu setzen, die die bürgerlichen und kirchlichen Gesetze vorsehen, und im Licht des Evangeliums und der menschlichen Erfahrung nach Wegen zu suchen, um die geschlagenen Wunden zu heilen.“
Der bekannte slowenische Jesuit und Mosaikkünstler Marko Ivan Rupnik hat, wie Sosa erläuterte, vor ungefähr dreißig Jahren im Umgang mit einer Frau, deren geistlicher Leiter er war, „die zulässigen Grenzen einer erwachsenen Beziehung überschritten“. Der Jesuitenorden habe Pater Rupnik mit Sanktionen belegt.
Rolle von Frauen in Werken des Ordens stärken
Doch die Welt der Jesuiten sei „viel reicher als der Fall Rupnik“ – darauf legte der Generalobere Wert. Besonders zufrieden sei er, Sosa, mit einer 2021 eingerichteten Kommission über die Rolle von Frauen in den Werken des Ordens. Sie solle 2024 Empfehlungen vorlegen.
(vatican news)
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