Ukraine: Vor einem Weihnachtsfest im Krieg
„Im liturgischen Kalender der Ostkirche haben wir keinen Advent, sondern vorweihnachtliche Fastenzeit – aber wir haben das gleiche Weihnachtsfest.“ Das erklärt der Weihbischof von Lemberg, Wolodymyr Hruza. In einem Adventsimpuls für das Kölner Domradio spricht der Kirchenmann aus dem Westen der Ukraine, nahe der polnischen Grenze, von einem Wechselbad der Gefühle vor Weihnachten.
„Die Ukraine steht im Krieg: Durch die massiven Raketenattacken haben wir großteils keinen Strom. Wenn der Strom da ist, scheint es selbstverständlich zu sein; wenn er fehlt, dann wird die Lage dramatisch. Die Menschen in der Ukraine haben Sehnsucht nach Licht, Wärme und Frieden!“
Sehnsucht nach Licht, Wärme und Frieden
Licht – das sei der Stern von Betlehem, der die Nacht erleuchte. Wärme – das sei das, was das Kind in der Krippe ausstrahle. Und Friede sei das Versprechen der Engel, als sie den Hirten in der Heiligen Nacht erscheinen. „Wo sich die Menschen begegnen, wo sie solidarisch sind, dort herrscht Licht, Wärme und Frieden, und es ist Weihnachten… Wir sind sehr dankbar für jedes Zeichen der Solidarität vonseiten der Weltgemeinschaft.“
Trotz des Kriegs gebe es doch vieles, was ihm derzeit Hoffnung und Zuversicht einflösse, sagt Weihbischof Hruza. „Unter anderem: Begegnungen mit den Menschen. Die Kinder schenken mir viel Vertrauen, Offenheit; die Jugendlichen motivieren mich, denn sie wollen nicht, dass ihre Zukunft gestohlen wird. In den Augen der älteren und betagten Menschen sehe ich den goldenen Herbst.“
Jesus als Flüchtling unter Flüchtlingen
Lemberg, Hruzas Stadt, ist nicht weit von der polnischen Grenze entfernt. In der Stadt halten sich viele Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes auf, und viele flüchten von hier aus weiter in Richtung EU. „Jesus selbst wurde auf der Flucht geboren, schon als Flüchtling kam er zur Welt. Somit ist er mit vielen Menschen solidarisch, die ihre Häuser und Heimat verlassen mussten.“
Diejenigen, die in ihren Dörfern in den Weiten der Ukraine ausharren, erleben einen harten Winter: Minusgrade, Stromausfälle, Engpässe bei Lebensmitteln und Medizin. Die Dominikaner bringen in diesen Tagen Hilfen in Gebiete, die erst kürzlich von russischer Besatzung befreit wurden, darunter Cherson. Dort seien die Geschäfte geschlossen, und es werde schlechthin „alles“ gebraucht, sagt der Provinzial des Ordens, Pater Jaroslaw Krawiec. Er fragt sich, ob und wie unter solchen Umständen Weihnachten gefeiert werden sollte.
Darf man mitten im Krieg Weihnachten feiern?
„In vielen Städten haben die Behörden bereits angekündigt, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für große Feierlichkeiten sei. Wenn die Menschen kein Licht oder keinen Strom haben, ist es schwierig, die Straßen zu beleuchten oder Lichterketten anzubringen. Andererseits gibt es auch Stimmen von Soldaten, die an der Front kämpfen, die sagen, dass sie für die Normalität ihrer Familien und ihrer Kinder kämpfen. Sie wenden sich an die örtlichen Behörden und sagen: Nehmt unseren Lieben nicht diese festliche Atmosphäre! Der Krieg selbst und der russische Hass wollen unseren Alltag zerstören, also lasst uns erst recht feiern!“
Die alten Lieder von Weihnachten in Sibirien
Der Dominikaner fühlt sich in diesen Tagen an ein ukrainisches Weihnachtslied aus dem Jahr 1946 voller Schmerz und Leid erinnert. Und an polnische Lieder über Weihnachten in Sibirien. „Ein Schicksal, das wie eine ferne Geschichte vergangener Generationen schien, kehrt bei diesem Krieg jetzt wieder zu uns zurück“, sagt er.
„Ich hoffe, dass wir dieses Weihnachtsfest als Familie erleben werden, wenn auch sicherlich mit einem gewissen Schmerz, denn es ist heute schwierig, sich eine Familie in der Ukraine vorzustellen oder zu finden, die nicht vom Krieg betroffen ist; in der es nicht jemanden gibt, der an der Front kämpft, der gestorben oder der verwundet zurückgekehrt ist. Wenn sich Katholiken und Orthodoxe am Heiligen Abend an den Tisch setzen, werden viele an ihre Angehörigen denken, die unter dem Krieg leiden.“
(vatican news/dr – sk)
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