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Ein bisschen Weihnachtsstimmung, trotz allem Ein bisschen Weihnachtsstimmung, trotz allem 

Weihnachtszeit im Libanon in Armut und politischer Krise

Die Kirche und Caritas im Libanon haben für das diesjährige Weihnachten geistliche Einkehrtage und Geschenkaktionen organisiert. Ihr Anliegen ist es, den Geist des Weihnachtsfestes lebendig zu halten – gerade auch angesichts der zunehmenden Armut und soziopolitischer Spannungen in dem Krisenland.

Marco Guerra und Anne Preckel – Vatikanstadt

Der Libanon hat immer noch keinen Präsidenten und ist seit Monaten ohne politische Führung. Es herrscht ein gefährliches Machtvakuum und eine beispiellose Wirtschaftskrise. In dieser Weihnachtszeit spiegelt sich damit in gewisser Weise die Armut der Heiligen Familie im Leid der libanesischen Bevölkerung wider. 

Die Sehnsucht nach Weihnachten

Rund 80 Prozent der libanesischen Bevölkerung leben heute unterhalb der Armutsgrenze, die Inflation frisst einen Großteil der Gehälter auf. In weniger als drei Jahren hat die Lira mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren, und diejenigen Libanesen, die noch Geld haben, können ihre Ersparnisse nicht bei den Banken abheben. Auch bei der Energie- und Lebensmittelversorgung gibt es Probleme – wegen des Ukraine-Krieges, der die Getreideexporte in den Nahen Osten blockiert hat, der einer der wichtigsten Märkte für ukrainisches und russisches Getreide ist. Hinzu kommt eine Cholera-Epidemie mit mehr als 3.600 bestätigten Infektionen und schon mehr als einem Dutzend Toten.

Vor Hintergrund der Krise und Armut ist die Sehnsucht der Christen im Libanon nach Weihnachten besonders groß, berichten Kirchenvertreter vor Ort. „Es gibt aber viele Familien, die nicht die finanziellen Mittel haben, um wirklich zu feiern, und das ist sehr schade, denn es ist das erste Fest, das nach den Einschränkungen aufgrund von Covid 19 gefeiert wird“, berichtet Pater Michel Abboud, Präsident von Caritas Libanon, gegenüber Vatican News.

Solidarität und Armenfürsorge

Um arme Familien zu unterstützen, hat die Caritas Geschenke für Kinder gesammelt, die sie an bedürftige Väter und Mütter weitergeben. Wohlhabendere Menschen aus dem Aus- und Inland spenden, arme Familien empfangen die Gaben. „Diese Eltern konnten die Caritas-Büros aufsuchen und die Geschenke anonym in Empfang nehmen, so dass sie sich nicht schämen müssen“, so Pater Abboud. Auf diese Weise lagen bei vielen armen Familien im Libanon doch noch Geschenke unter dem Weihnachtsbaum.

„Wir sind nicht die ersten, die sich in einer ernsten wirtschaftlichen Lage befinden“, kommentiert der Caritas-Präsident die aktuelle Krisensituation. „Aber wie Josef und Maria können wir auf Gottes Vorsehung zählen. Arm zu sein ist keine Schuld, wir müssen also vermeiden, dass dieser Zustand zu einem Verlust des Glaubens führt.“

Spirituelle Begleitung

Neben Solidaritätsaktionen bieten die Kirche und Caritas des Libanon in der Weihnachtszeit verstärkt spirituelle Begleitung an. Dazu gehören Exerzitien, Gottesdienste, Beichten und Katechismus-Kurse. Trotz der Krise wollen die Menschen das Fest in diesem Jahr bewusst feiern und viele nähmen an spirituellen Einkehrtagen teil, beobachtet der Salesianer Simon Zakerian, Leiter des Salesianerhauses im Libanon und der Salesianerprogramme für Jugendliche im Nahen Osten: „Die Menschen wollen Weihnachten erleben, und das kann uns niemand nehmen, äußerlich sind es sicher ärmere Feiertage, aber innerlich konzentrieren wir uns auf den Herrn, der kommt, um uns zu retten.“

Der politische Stillstand im Libanon bereitet dem Ordensmann derweil Sorgen: Er bedauert, dass es keine Einigung zwischen den Parteien für die Wahl eines neuen Präsidenten gibt, was die anhaltende wirtschaftliche und politische Krise noch verschärfe. „Wir beten, dass der Herr den Politikern, vor allem den christlichen, den Geist der Weihnacht ins Herz legt, der es ihnen ermöglicht, den Weg zum Frieden und zur politischen Einigung zu finden“, so Pater Zakerian.

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Ein Fest der Hoffnung – für alle

Angesichts der Inflation hätten viele Familien in diesem Jahr kein Geld gehabt, um die Ausgaben für das Fest zu bestreiten: „Es gibt viele arme und einige sehr reiche Menschen - die Mittelschicht ist verschwunden“, schildert der Salesianer. Hinzu komme die Getreideknappheit aufgrund des Krieges in der Ukraine.

Alle Katholiken, die dem westlichen Kalender folgen, feiern Weihnachten am 25. Dezember, die anderen Konfessionen und die „orthodoxen Brüder“ am 6. Januar. Weihnachten sehe aber auch die Teilnahme vieler Muslime, berichtet der Direktor des Salesianerhauses, sie nähmen an vielen Feiern teil, und für den ganzen Libanon sei es eine arbeitsfreie Zeit.

„Weihnachten ist ein Fest der Hoffnung, denn wenn ein Kind geboren wird, vergessen die Familien den täglichen Schmerz und die Entbehrungen“, so Pater Zakerian. Außerdem kehrten viele Libanesen aus der Diaspora trotz der Schwierigkeiten für Verwandtenbesuche wieder in ihre Heimat zurück, um mit ihren Familien zu feiern, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen haben.

Keine Lösung ohne politische Führung

Nach den Parlamentswahlen im Mai ist es den parlamentarischen Kräften des Libanon immer noch nicht gelungen, eine Regierung zu bilden, und die Amtszeit von Präsident Michel Aoun lief am 31. Oktober aus. Nach neun ergebnislosen parlamentarischen Sitzungen ist das Amt des Präsidenten im Zedernstaat immer noch vakant. Laut Konvention muss das Amt des Staatsoberhauptes an einen maronitischen Christen vergeben werden. Die Europäische Union und andere internationale Institutionen haben die libanesischen Politiker aufgefordert, dieses institutionelle Vakuum unverzüglich zu füllen. Unter anderem verhindert das Fehlen einer Exekutive und eines Präsidenten der Republik die Fortsetzung der Verhandlungen mit der Weltbank über die Umschuldung des Libanon.

(vatican news – pr)
 

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22. Dezember 2022, 08:02