Ndako Ya Biso - Das Haus der Straßenkinder in Kinshasa
Christine Seuss und Xavier Sartre - Korrespondent in Kinshasa, DRK
Der Round-point NGaba ist ein neuralgisches Zentrum im Süden von Kinshasa, auf dem Weg nach Matadi, dem wichtigsten Hafen der Demokratischen Republik Kongo. Dutzende Minibusse, gelbe Sammeltaxis, Lastwagen, Geländewagen und Motorräder drängen sich, versuchen durchzukommen, hupen, Bremsen quietschen, die Fahren beschimpfen sich gegenseitig. Mittendrin bahnen sich Fußgänger ihren Weg und überqueren die Straße, darunter fliegende Händler, die den Fahrgästen oder Fahrern ihre mitgeschleppten Artikel feilbieten. Auf den Bürgersteigen drängen sich wackelige Stände, an denen alles Mögliche verkauft wird, von Secondhandkleidung über Fleisch bis hin zu Waren aller Art. In dieser wuselnden und wabernden Welt leben Kinder, von denen die meisten von ihren Familien verstoßen werden. Deshalb hat die Gemeinschaft Chemin Neuf vor 18 Jahren ein Zentrum eröffnet, um ihnen Zuflucht zu geben: Ndako Ya Biso, „unser Haus“, wie es die Straßenkinder in Lingala, der meistgesprochenen Sprache in Kinshasa, genannt haben.
„Kardinal Etsou schenkte uns die Pfarrei Sainte-Christine mit einer verfallenen Schule“, erinnert sich der belgische Bruder Jean-Pierre Godding, der Leiter des Hauses. „Wir fanden dort Kinder aus der Nachbarschaft, die dort Unterschlupf gefunden haben“, fährt er fort. Nach ausgiebiger Prüfung beschloss die Gemeinschaft, sie nicht zu vertreiben, sondern sie in dem Gebäude aufzunehmen, das schließlich zum Zentrum Ndako Ya Biso wurde. Eine Oase des Friedens inmitten des umliegenden Tumults, ein sicherer und geschützter Ort, an dem den Jungen und Mädchen nichts Schlimmes passieren kann. Hier kümmern sich rund 40 Personen, darunter Erzieher, Psychologen, Krankenschwestern, Köche, Verwaltungspersonal und Wachleute, in drei verschiedenen Einrichtungen um die Kinder im Alter von 8 bis 15 Jahren (die Jüngsten) und 20 bis 30 Jahren (die „großen Jugendlichen“). Ein Berufszentrum, in dem diese einen Beruf erlernen können, rundet das Ganze ab.
Ndako Ya Biso, die „richtige“ Adresse
Es sind die Kinder, die sich dazu entscheiden, zu kommen. Die Gemeinschaft stellt sich zwar bei „den Quartiermeistern, den Handel treibenden Müttern und der Polizei“ vor, erklärt Jean-Pierre Godding. „Wir laden dann aber die Kinder ein, wenn sie es wollen, in unserem Zentrum vorbeizuschauen“. Das letzte Wort haben jedoch die Minderjährigen, die den Tipp untereinander weitergeben und davon überzueugt sind: „Das ist die richtige Adresse“. Dafür gibt es einen Grund: „Sie sind zuallererst am Essen interessiert“, räumt Bruder Jean-Pierre ein. „Für sie ist es grundlegend wichtig, nicht um das Essen auf der Straße kämpfen zu müssen, sondern eine gute Mahlzeit, zum Beispiel einen großen Ball Fufu, eine Mischung aus Maismehl, zu bekommen.“
Aber Ndako Ya Biso ist nicht nur eine „Kantine“, sondern viel mehr: „Sie bekommen eine Mahlzeit, Sicherheit und kostenlose Behandlung in unserer Krankenstation“, erläutert der Leiter. „Wir bieten ihnen auch eine Dusche, Wäsche, Kleidung, schulische Nachhilfe oder sogar Alphabetisierung, Spiele, aber vor allem auch das Zuhören unserer Erzieher und Psychologen“.
Die Krankenstation
Bei ihrer ersten Ankunft werden die Kinder registriert und durchlaufen eine medizinische Untersuchung. Emilie Linono ist Krankenschwester. Sie ist eine der ersten Erwachsenen, die die jungen Besucher treffen und mit denen sie ein paar Worte wechseln. „Wenn das Kind ankommt, empfange ich es, höre ihm zu, mache eine medizinische Bestandsaufnahme, frage, wie es ihm geht, ob es in seiner Familie besondere Gesundheitsprobleme gibt“, erklärt die junge Frau. Zu den häufigsten Krankheiten, die sie entdeckt, gehören Malaria, „weil die Kinder nachts auf der Straße schlafen, ohne Moskitonetze“, „Haut- und Atemwegserkrankungen, Geschlechtskrankheiten, AIDS, Epilepsie oder sogar Tuberkulose“. Eine Vereinbarung mit einem in der Nähe gelegenen Krankenhaus ermöglicht die Behandlung der schwersten Fälle.
Dieser erste wohlwollende Austausch hilft dem Kind oft, Vertrauen zu fassen und sich ein wenig zu öffnen. „Von da an erzählt es wirklich seine Geschichte, wie es bis dahin auf der Straße gelebt hat. Manchmal gibt es auch die Adresse seiner Familie an. Dann kann man mit einer Mediation, einer Untersuchung bis zur Wiedervereinigung beginnen“, fährt sie fort.
Das Kind und seine Familie wieder zusammenführen
Denn die Wiedervereinigung ist das wirkliche Ziel der Arbeit des Zentrums. Wenn Kinder auf der Straße stranden, liegt das oft daran, dass sie aus ihrem Zuhause vertrieben wurden. „Die Scheidung der Eltern ist die Hauptursache“, erklärt Jean-Didier Kpanya, der seit zwölf Jahren als Erzieher in Ndako Ya Biso arbeitet. Die Eltern können oder wollen die Verantwortung für ihren Sohn oder ihre Tochter nicht mehr übernehmen, die dann auf der Straße landen, weil es keine Verwandten gibt, die sie beherbergen und für sie sorgen wollen.
Die zweite Ursache ist der Hexenglaube, der eine „bequeme“ Möglichkeit darstellt, sich eines Kindes zu entledigen. Der Einfluss skrupelloser Pastoren der Erweckungskirchen, die es in der Stadt gibt, ist in diesem Fall sehr stark: Sie zögern nicht, diese schutzbedürftigen Menschen der Hexerei zu bezichtigen. Manche Familien brauchen diesen Vorwand jedoch gar nicht erst, um sich eines jungen Familienmitglieds, das als Belastung empfunden wird, zu entledigen. „Manche Kinder werden eingesperrt oder sogar angekettet, und wenn es ihnen gelingt, zu fliehen, landen sie auf der Straße“, erzählt Jean-Didier.
Vertrauen aufbauen und die Würde wiederherstellen
Das Eis zu brechen und das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, ist unter diesen Umständen verständlicherweise eine schwierige Aufgabe für die Erzieher. „Es ist eine Arbeit der Hoffnung und der Geduld. Trotz aller Schwierigkeiten, denen diese Kinder begegnen und die sie erleben, versuchen wir, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, damit sie uns von ihrer Geschichte erzählen. Wir versuchen dann, ihre Würde wiederherzustellen“, erklärt der Erzieher. Nichts ist selbstverständlich und manchmal treibt das erlebte Trauma die Heimbewohner zu Gewalttätigkeiten. „Selbst untereinander können sie sehr gewalttätig sein und sich prügeln. Aber wir bemühen uns, sie zu begleiten“, fügt er hinzu.
Die Erzieher verlieren ihr Ziel nicht aus den Augen: Informationen zu sammeln, die sie an die Familien weitergeben und versuchen, sie davon zu überzeugen, ihre Kinder wieder aufzunehmen. In den 18 Jahren, in denen Ndako Ya Biso tätig ist, gelang dies in dreitausend Fällen. Jean-Pierre Godding räumt ein, dass dies angesichts der geschätzten 30.000 Straßenkinder in Kinshasa wenig erscheinen mag, aber angesichts der begrenzten Mittel des Zentrums, das nur von Spenden und Finanzierungen von Freunden und Partnern wie der Louvain Coopération, Fondation d'Auteuil, Rotary oder westlichen Botschaften lebt, ist es durchaus ein anerkennenswerter Erfolg.
Langfristige Begleitung
Die Erzieher tauschen untereinander die Geschichten der gelungenen Wiedervereinigungen und Wiedereingliederungen in die Gesellschaft aus. Manche bleiben lange im Zentrum präsent: Zum Beispiel die von Nicolas, einem lächelnden jungen Mann, der sich inmitten der Kinder bewegt, die zum Rhythmus der Trommeln tanzen, die im Hof erklingen. Er ist ein ehemaliges Straßenkind. Als er elf Jahre alt war, starb sein Vater. Er wurde beschuldigt, ein Zauber zu sein, für seinen Tod verantwortlich zu sein. In Ndako Ya Biso fand er Zuflucht, wollte sich dann aber selbst nützlich machen. Das Zentrum begleitete ihn bei seinem Studium zum Erzieher. Nachdem er seinen Abschluss gemacht hatte, kehrte er dorthin zurück und teilt mittlerweile seine Lebenserfahrung mit den jüngeren Kindern. Ein Beweis dafür, dass „jedes gerettete Kind eine Hoffnung ist“, wie Jean-Pierre Godding sich freut.
Manchmal dauert es sechs Monate, ein Jahr oder zwei Jahre, bis die Angehörigen der Kinder ihre Rückkehr akzeptieren. Eine langwierige Arbeit, die jedoch nicht das Ende der Betreuung des Kindes durch das Zentrum bedeutet. Die Familien können einen Mikrokredit in Höhe von 50 USD erhalten, der ihnen hilft, die Kosten zu decken, die mit der Rückkehr ihres Sohnes oder ihrer Tochter verbunden sind. Aber das ist noch nicht alles. „Wir bringen jedes wiedervereinigte Kind in die Schule, wir übernehmen die Kosten für seinen Schulbesuch, wir geben ihm ein Schulset, wir ermutigen es, wir treffen uns auch mit den Schulleitern, um ihnen zu erklären, dass man ein Straßenkind nicht wie ein anderes Kind behandeln kann. Ein gewöhnliches Kind, das dich stört, wirfst du raus, aber ein Kind, das von der Straße kommt, rauszuschmeißen, ist keine Strafe, sondern eine Belohnung“, erklärt der Bruder der Gemeinschaft des Neuen Weges.
Während er erzählt, setzen die Kinder ihren Willkommenstanz fort. Eine zauberhafte Episode in einem noch düsteren Alltag, das Versprechen einer friedlichen Zukunft.
(vatican news)
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