Italien: Ausnahmezustand wegen Migration
Alessandro Guarasci und Mario Galgano – Vatikanstadt
Auf der Mittelmeer-Insel Lampedusa befinden sich derzeit mehr als 1.800 Migranten in einer Flüchtlingsaufnahmestelle, die für maximal 400 Menschen ausgelegt ist. Wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete, kamen allein über das lange Osterwochenende insgesamt rund 2.000 Migranten mit Booten auf der italienischen Insel Lampedusa vor der nordafrikanischen Küste an. Die Behörden verzeichneten zwischen Freitag und Montag mehr als 40 Ankünfte. Viele der Migranten waren minderjährig. Die meisten wurden in anderen Flüchtlingszentren in Süditalien gebracht.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni rief deshalb den Ausnahmezustand aus. Der soll für ganz Italien sechs Monate lang gelten. Dadurch wolle die Regierung den vom Flüchtlingsansturm besonders betroffenen Regionen im Süden des Landes schneller und mit weniger Bürokratie helfen. Es sollen zum Beispiel der Bau von Aufnahmezentren für Flüchtlinge erleichtert werden.
Verständnis und Kritik
Katholische Flüchtlingswerke zeigen Verständnis für die Reaktion der Regierung, wie uns der Erzbischof von Ferrara-Comacchio, Gian Carlo Perego sagt. Er ist Vorsitzender der Kommission für Migration der italienischen Bischofskonferenz:
„Ich glaube, dass die Ausrufung des Ausnahmezustands nützlich sein kann, um einige Maßnahmen zur Überführung von Menschen zu beschleunigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass in diesem Jahr schon dreimal so viele Flüchtlinge die Küsten von Lampedusa erreicht haben, als in den Jahren zuvor.“
Und wir seien ja erst im April. Das Innenministerium in Rom zählte in diesem Jahr bereits mehr als 31.000 Menschen, die auf Booten Italien erreichten - im gleichen Vorjahreszeitraum waren es rund 7.900. Der bischöfliche Flüchtlingsbeauftragte zeigt sich aber auch kritisch:
„Dieser Ausnahmezustand darf uns jedoch nicht vergessen lassen, dass das Aufnahmesystem in Italien gestärkt werden muss, und gleichzeitig dürfen wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir grundsätzlich gegen die Aufnahme von Hilfsbedürftigen sind.“
Notfallproblem für ganz Europa
Die ankommenden asylsuchenden Flüchtlinge seien ein Notfallproblem, mit dem sich ganz Europa befassen müsse. Deshalb bedürfe es einer länderübergreifenden Lösung, so Erzbischof Perego:
„Wir dürfen nicht vergessen, dass der Notfall viel mehr kostet als die normale legale Aufnahme. Dieser Ausnahmezustand ist also auch unter dem Gesichtspunkt der Kosten sicherlich höher als sich viele denken. Unter diesem Gesichtspunkt glaube ich, dass jetzt sehr sorgfältig abgewogen werden sollte, ob wir außerordentliche Instrumente brauchen oder ob wir nicht einerseits eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen zu den bereits bestehenden für die Evakuierung von Lampedusa einführen sollten. Und gleichzeitig, dass das wirklich Wichtigste ist, den Aufnahmeplan der verschiedenen italienischen Regionen zu stärken und zu erweitern.“
Das italienische Staatsfernsehen berichtete, es sei vermutlich auch die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Migrationsfragen zu erwarten. Etliche Migranten versuchen immer wieder mit oft seeuntauglichen Booten aus Tunesien und Libyen über das Mittelmeer die italienischen Inseln Lampedusa und Sizilien sowie das italienische Festland oder Malta zu erreichen. Bei den hochgefährlichen Überfahrten kommt es mitunter zu verheerenden Bootsunglücken, wie etwa Ende Februar vor der Küste Kalabriens mit mindestens 90 Toten.
(vatican news/ansa/afp/reuters)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.