Jerusalem: Streit um orthodoxe Ostern
Am Freitag warf das griechisch-orthodoxe Patriarchat der Polizei „eine völlig falsche Darstellung der Tatsachen" mit Blick auf Beschränkungen der Teilnehmerzahlen vor. 1.800 Personen in der Kirche und 1.000 weitere auf einem benachbarten Dach: Das sind die Höchstzahlen, die die Polizei für das traditionelle „Heilige Feuer" festgelegt hat. Sie begründet dies mit der Sicherheit der Feiernden - und sorgte damit für einen seltenen Schulterschluss der Jerusalemer Kirchen. Die Armenier und die Franziskaner stellten sich an die Seite der Griechisch-Orthodoxen, mit denen sie sich den Besitz der Grabeskirche teilen. Sie warfen der Polizei vor, den Zugang in noch nie da gewesener Weise einzuschränken. Eine Koordination sei in diesem Jahr gescheitert. Die Kirchen kündigten weiter an, die Feier wie üblich „frei und in Frieden" abzuhalten - und schlossen eine ausdrückliche Einladung an alle an.
Hin und her zwischen Polizei und Religionsvertretern
Die Einschränkungen seien „ein notwendiges Sicherheitsgebot" und „für alle verbindlich", argumentierte dagegen die Polizei. Sie beruft sich auf das Gutachten eines Sicherheitsingenieurs, der im Auftrag der Kirche arbeite. Dieser habe eine maximal zulässige Belegung des Ortes festgelegt. Besagter Ingenieur, Theo Metropoulos, sei gar nicht ermächtigt, ein solches Gutachten zu erstellen, konterte das Patriarchat. Mehr noch: Er habe ursprünglich ganz andere Zahlen vorgelegt, die „auf Ersuchen der israelischen Polizei" mit deren Beschränkungen in Einklang gebracht worden seien. Der Polizei warf das Patriarchat indes einen Sinneswandel vor: Frühere Gutachten von Metropoulos zur Sicherheit in baulichen Fragen habe sie stets mit der Begründung abgelehnt, der Ingenieur sei dafür keine Autorität.
Streit um Teilnehmerzahl auch 2022
2022 hatten die Kirchen vor Israels oberstem Gericht zwar nicht die vor der Pandemie üblichen 10.000 Teilnehmer in der Kirche erstritten, immerhin aber 4.000 statt der polizeilichen 1.800. Trotzdem habe die Polizei „Sperren in der gesamten Altstadt" errichtet. Sie hätten die Pilger gehindert, „ihre Religion auszuüben und das Wunder der Auferstehung zu erleben", so die Erklärung der drei Kirchen. Für Yusef Daher, Sekretär eines Zentrums mehrerer Kirchen in Jerusalem, ist die Barrikadenpolitik der Polizei Teil des Problems. „Wenn sie die Christen in das christliche Altstadtviertel und auf die Dächer ließen, gäbe es keine Probleme. Die Menschen kommen nicht, um an diesem Tag in die Grabeskirche zu gehen, sondern um der Feier in der Altstadt beizuwohnen."
Religionsfreiheit gefährdet?
Der Streit zieht unterdessen Kreise. Ein Sprecher des jordanischen Außenministeriums warnte laut Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Petra, Israel müsse von allen Maßnahmen Abstand nehmen, „die darauf abzielen, das Recht der Christen auf freien und uneingeschränkten Zugang zur Grabeskirche einzuschränken, um ihre religiösen Rituale zu vollziehen". Als Besatzungsmacht sei Israel verpflichtet, den „historischen und rechtlichen Status quo in Jerusalem und seinen Heiligtümern" zu respektieren. Jordanien als Hüter der muslimischen und christlichen Heiligen Stätten in Jerusalem werde den historischen Status Jerusalems als „Symbol für Toleranz und Harmonie" weiter schützen.
Hintergrund
Der völkerrechtliche Status Jerusalems ist international ungeklärt. Viele Staaten erkennen Israels Souveränität über den annektierten Osten der Stadt nicht an - den die Palästinenser als Hauptstadt ihres künftigen Staates beanspruchen. Bei der Feier in der Grabeskirche entzündet sich nach orthodoxem Volksglauben auf wundersame Weise eine Flamme an der als Grab Christi verehrten Kapelle; das Feuer wird anschließend weitergereicht. Nie habe die über 1.200 Jahre alte Feier „Anlass zu Sicherheitsbedenken gegeben", formulierte im Vorjahr Franziskaner-Kustos Francesco Patton. Die Polizei hingegen dürfte angesichts der beengten Verhältnisse auch die Katastrophe von Meron im Kopf haben. Im April 2021 starben dort 45 Menschen, als bei einer jüdischen Feier eine Panik ausbrach. Sicherheitsbedingte Höchstzahlen gelten laut Polizei auch für andere Heilige Stätten, in Jerusalem etwa an der Klagemauer. Alle, die „wegen der Kapazität der Kirche nicht an der Zeremonie selbst teilnehmen können", sind auf die Live-Übertragung auf eigens errichteten Großbildschirmen verwiesen.
(kna - sst)
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