Polens Primas: „Es ist beschämend“
Der polnische Primas und Erzbischof Wojciech Polak sagte in einer Erklärung, die nach dem Zeitungsbericht erschien, er denke an jene, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. „Es ist beschämend, dass wir jahrzehntelang das Unrecht und ihr Leid nicht wahrgenommen haben. Dafür möchte ich mich noch einmal entschuldigen“, so der 58-Jährige, der bei der Polnischen Bischofskonferenz auch für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig ist. Die Kirche sei „oft naiv“ mit den Missbrauchstätern umgegangen.
Hintergrund der Erklärung ist ein Bericht der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ vom Donnerstag, wonach vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1989 in Polen laut einer Schätzung mindestens 1.100 Minderjährige von Geistlichen oder Laien in der katholischen Kirche sexuell missbraucht worden sind. Unabhängige Experten wollen nun die Kirchenarchive durchforsten.
Bestrafungen abgewendet, kaum Ahndung
Journalisten der Zeitung hatten in staatlichen Archiven laut dem Bericht festgestellt, dass die Behörden der kommunistischen Volksrepublik mindestens 117 katholische Geistliche und zwei Laien des Kindesmissbrauchs beschuldigten. 72 von ihnen seien verurteilt und elf freigesprochen worden. In den übrigen Fällen seien die juristischen Verfahren entweder aus zweifelhaften Gründen eingestellt worden oder der Ausgang sei unklar. Manche Geistliche wendeten dem Blatt zufolge ihre Bestrafung ab, indem sie zusagten, mit dem kommunistischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten. Es sei „schockierend, wie oft das Wohl der Kinder von den Diensten des totalitären Staates missachtet wurde, die das Leid der Kinder ausnutzten, um die Täter als Kollaborateure der kommunistischen Sicherheitskräfte anzuwerben“, kommentierte dies Erzbischof Polak.
In den untersuchten Fällen bestrafte die Kirche die Täter laut der Zeitung häufig nicht angemessen. Nur ein Priester sei aus dem Klerikerstand entlassen und ein Ordensmann aus seinem Orden ausgeschlossen worden. Ein Seminarist habe das Priesterseminar verlassen müssen. Manche Priester hätten später in anderen Pfarreien weitere Verbrechen begangen, so die „Rzeczpospolita“. Sie geht davon aus, dass etwa 300 katholische Geistliche in der Volksrepublik Kinder missbrauchten.
Dank an Journalisten und weitere Schritte
Polak würdigte die „enorme Arbeit“ der Journalisten. „Diese Studie bestätigt die Notwendigkeit weiterer archivarischer Forschungen in der Kirche“, so der polnische Primas. Er wolle dafür der Bischofskonferenz bei ihrer nächsten Vollversammlung im Juni ein Konzept vorlegen, so der Erzbischof von Gnesen (Gniezno). Polak weiter: „Ich hoffe, dass Untersuchungen unabhängiger Experten der Kirche in Polen zu einer ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit verhelfen werden, die den historischen und gesellschaftlichen Kontext berücksichtigt." Dies erwarteten die Menschen, denen Leid zugefügt worden sei. Der Schritt sei für die Kirche notwendig, um das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Polens katholische Bischöfe hatten im März beschlossen, demnächst ein unabhängiges Expertenteam zu berufen, das sich mit dem Kindesmissbrauch durch Geistliche in der Vergangenheit befassen soll. Polak betonte, die Kirche wende sich aktuell etwa mit einer landesweiten Informationskampagne an die von sexualisierter Gewalt Betroffenen, um ihnen vor allem psychologische und seelische Hilfe zukommen zu lassen: „Wir bemühen uns, sie zu finden.“
(episkopat.pl/ / kna)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.