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Radio-Akademie: Polen - Kirche im Umbruch (7)

Unsere Reise führt durch Polen, das katholischste Land Europas. Unser Nachbar – und doch so anders. Wir wollen die Kirche in Polen kennenlernen, etwas über ihre Geschichte erfahren. Sehen, wie sie mit den Herausforderungen der Neuzeit umgeht. Diesmal sprechen wir mit dem Danziger Erzbischof Tadeusz Wojda.

Wojda ist Fundamentaltheologe und Missionsexperte; er hat von 1990 bis 2017 in Rom gearbeitet, zuletzt als Untersekretär der Missions-Kongregation (die heute zum Dikasterium für Evangelisierung gehört). 2017 wurde er Erzbischof von Bialystok, seit 2021 ist er Erzbischof von Gdansk (Danzig).

Den polnischen Papst Johannes Paul II. (1978-2005) hat Wojda in seiner Zeit am Vatikan aus der Nähe erlebt. Jetzt wird er Zeuge, wie sich in Polen mittlerweile an diesem Papst die Geister scheiden: Ein Buch und ein Film warfen Karol Wojtyla, dem späteren Johannes Paul, unlängst vor, in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau Missbrauchsfälle im Klerus vertuscht zu haben. Als Beleg dafür dienen ausgerechnet Akten des damaligen kommunistischen Geheimdienstes. 

Detail aus einem Portal der Marienburg bei Danzig
Detail aus einem Portal der Marienburg bei Danzig

Bewahren, was wirklich gut ist

Wir fragten Erzbischof Wojda, wie er zur Debatte um Johannes Paul II. steht. „Das Erste, was ich sagen kann: Er ist heilig, er verteidigt sich selbst! Wir sollten nur versuchen zu bewahren, was wirklich gut ist. Bei einer Sitzung der Bischofskonferenz im März 2023 war auch ein Historiker anwesend, der die Papiere zu Karol Wojtyla in den Archiven geprüft hat. Dieser Historiker sagte uns, es gebe in den Dokumenten nichts, was die Vorwürfe irgendwie belege… Das Dokument, das die Grundlage für diese Anschuldigung wäre, wurde offenbar Jahre später von einem Geheimdienstler fabriziert, es ist demnach eine Manipulation.“

„Er ist heilig, er verteidigt sich selbst!“

„Also: Wie verteidigt man Johannes Paul? Ich sage immer: Wir verteidigen ihn am besten dadurch, dass wir zu seiner Lehre zurückkehren! Dass wir uns an das erinnern, was der Papst gesagt hat. In Danzig versuchen wir immer, diese außergewöhnliche Lehre über die Achtung vor den Arbeitern oder über Solidarität neu ins Licht zu setzen. Oder was er zur Verteidigung der Werte gesagt hat, zu jungen Leuten auf der Westerplatte.“

Der polnische Papst Johannes Paul II. (1978-2005)
Der polnische Papst Johannes Paul II. (1978-2005)

Zurück zur Lehre Johannes Pauls

Es reiche jedenfalls nicht, immer nur mantra-artig zu wiederholen, was für ein großer Mann dieser polnische Papst doch gewesen sei. „Das ist in Ordnung, das wissen wir bereits, aber das ändert nichts! Wir müssen zu seiner Lehre zurückkehren und herausfinden, was uns hilft, zu wachsen, nicht wahr? Was uns hilft, die Gemeinschaft aufzubauen. Und das ist der Weg, Johannes Paul II. zu verteidigen. ... Wir wollen, dass er für uns eine Autorität bleibt, ein Bezugspunkt. Denn wir Älteren kennen ihn, ich habe ihn oft getroffen; aber die jungen Leute kennen ihn nicht mehr. Die sehen nur die Schlagzeilen, und dann kommen sie auf die Idee, dass er ein Pädophiler gewesen wäre, oder ein Vertuscher von Pädophilie...“

Wawel: Die frühere königliche Burg in Krakau
Wawel: Die frühere königliche Burg in Krakau

Die Kirche öffnen

Im übrigen solle die polnische Kirche jetzt ach nicht nur auf ihre Vergangenheit starren, sonst fehle ihr die Kraft zum Vorwärtsgehen. „Wir müssen in die Zukunft schauen, nicht so sehr zurück. Damit wir reifen und wachsen, das Gesicht unserer Kirche ein wenig verändern, sie ein wenig mehr öffnen, nicht wahr?“

Öffnen – das ist ein Stichwort. Wenn man als deutscher Katholik auf die Kirche in Polen schaut, dann kann man das Gefühl bekommen, dass ihr eine Öffnung guttun würde. Ein bisschen rückständig wirkt sie von außen, ein wenig zu traditionell.

Erzbischof Wojda von Danzig
Erzbischof Wojda von Danzig
Ein Spaziergang durch Krakau - aus der Radio-Akademie "Polen - Kirche im Umbruch" von Radio Vatikan (7)

Jahrhundertelang in der Defensive

„Natürlich stimmt das schon ein bisschen“, sagt Erzbischof Wojda dazu. Er argumentiert mit der Geschichte. „Die Kirche musste gegen Invasoren kämpfen, nicht wahr; während der polnischen Teilungen wurde versucht, alle Spuren der polnischen Identität und der Kirche zu beseitigen, sowohl von Seiten Preußens als auch von Seiten Russlands (vielleicht weniger von Seiten des österreichischen Kaiserreichs). Dann kommt der Erste Weltkrieg, der uns unsere Freiheit zurückgegeben hat: zwanzig Jahre, sagen wir, des Durchatmens. Doch dann der Zweite Weltkrieg, der wieder alles auslöscht. Nach dem Krieg dann die Russen, die um jeden Preis und systematisch versuchen, die Kirche zu vernichten. Die Kirche war also immer in der Defensive - daher kommt diese Mentalität.“

Kirchgänger in Krakau
Kirchgänger in Krakau

Vor allem die lange Zeit des kommunistischen Regimes habe die Kirche „stark geprägt“ und eine gewisse Festungsmentalität noch verstärkt. „Von außen mag es also so aussehen, als sei diese Kirche zu marianisch, zu traditionell, aber es ist eine Kirche, die immer nach ihrer Identität sucht und die sich verteidigen muss. Und wenn man genauer hinsieht, dann sieht man bei dieser Kirche auch Signale der Öffnung. Die letzte Synode hat zum Beispiel viele Bewegungen innerhalb der Kirche hervorgebracht. Meiner Meinung nach ist sie nicht so verschlossen, wie sie von außen erscheinen mag. Sicherlich muss sie einen Weg zurücklegen; sie braucht Zeit. Aber diese Kirche muss auch ein wenig die Werte verteidigen, die so lange ihr Fundament waren.“

Marien-Ikone im Schloss von Lublin
Marien-Ikone im Schloss von Lublin

Was kann Polen in die Weltkirche einbringen?

Fragt man Erzbischof Wojda, was der spezifische Beitrag der polnischen Kirche zur Weltkirche ist, nennt er zuerst die Mariologie. „Ich weiß, dass sie nicht von allen akzeptiert wird, aber auf jeden Fall hat uns die Mariologie, und die Theologie in diesem Sinne, geholfen, die Rolle Marias im Leben Jesu besser zu verstehen, ihren mütterlichen Genius. Und dadurch versteht man auch besser die Rolle Jesu, und die Rolle der Priester in der Kirche.“

Ein zweiter Punkt sei die Betonung der göttlichen Barmherzigkeit. Das stützt sich auf Visionen einer Ordensfrau in Krakau, Schwester Faustina Kowalcka, in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts; der polnische Papst Johannes Paul hat sich von ihr inspirieren lassen, als er in der Weltkirche einen Sonntag der Barmherzigkeit einführte.

Renaissance-Innenhof auf dem Krakauer Wawel-Hügel
Renaissance-Innenhof auf dem Krakauer Wawel-Hügel

„Volksfrömmigkeit ist ein Reichtum“

„Eine andere Sache, die von Bedeutung sein könnte: der lebendige Glaube selbst, nicht wahr? Wir können dabei zwei Formen unterscheiden: die Volksfrömmigkeit und die systematischere Form. Wir wissen, dass der Glaube heute keine reine Theologie sein kann, kein reines Aufsagen von Gebeten, nein - die Menschen brauchen die äußeren Manifestationen des Glaubens, das ist ein großer Reichtum. In Polen ist dieses, sagen wir, volkstümliche Element des Glaubens sehr stark, und das ist ein Reichtum; die Kirche war viele Jahrhunderte lang sehr offen für diese Ausdrucksformen, für alles Lokale, für alles Kulturelle, um alles zu assimilieren und es in den größeren kirchlichen Rahmen einzubinden! Das ist etwas Schönes, ein Reichtum.“

Pilger in Tschenstochau mit einem Foto von Johannes Paul II. - Archivaufnahme
Pilger in Tschenstochau mit einem Foto von Johannes Paul II. - Archivaufnahme

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(vatican news - sk)

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16. Juli 2023, 10:27