Suche

Dschenin Dschenin  (AFP or licensors)

Nahost: Weihbischof Shomali für unabhängiges Palästina

Israel hat seinen als „Anti-Terrorismusaktion" deklarierten Militäreinsatz in Dschenin im Westjordanland beendet. 12 Palästinenser und ein israelischer Soldat kamen dabei ums Leben. Im Interview mit Radio Vatikan erklärt der lateinische Patriarchalvikar für Jerusalem und Palästina, Weihbischof William Schomali, dass nur eine politische Lösung den seit 75 Jahren andauernden Konflikt beenden kann.

Adriana Masotti  und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Am Montag hatten Drohnen den Weg für mehr als tausend Soldaten im palästinensischen Dschenin frei gemacht. Laut israelischen Angaben wurden nur Kämpfer getötet: Von den zwölf palästinensischen Opfern gehörten demnach vier dem Islamischen Dschihad und eines der militanten Hamas an. Die Hamas hatte sich zu einem Attentat in Tel Aviv bekannt, bei dem ein Autofahrer acht Passanten verletzte. 

„Wir befinden uns in einem Teufelskreis. Es gibt einen Anfang, aber kein Ende. Es wird kein Ende geben ohne ein Friedensabkommen mit zwei Staaten: Israel und Palästina. Das entspricht der UN-Resolution, diese Lösung wird von den meisten Staaten akzeptiert", betont der Patriarchalvikar für Jerusalem und Palästina, William Shomali, im Interview mit Radio Vatikan. Der Heilige Stuhl macht sich schon lange für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt stark. Weihbischof Shomali sieht allerdings noch Hindernisse zu überwinden:

Hier im Audio: Der Patriarchalvikar für Jerusalem und Palästina, Weihbischof William Shomali, im Interview mit Radio Vatikan zum Nahost-Konflikt (Beitrag von Radio Vatikan)

„Das Problem ist nicht nur die Gewalt von heute, die Gewalt von gestern, das Problem ist ideologisch“

„Israel akzeptiert das nicht, weil es das Westjordanland als Teil Israels betrachtet, weil es früher Judäa und Samaria war und ein freier Staat für sie daher dort nicht entstehen kann. Das Problem ist also nicht nur die Gewalt von heute, die Gewalt von gestern, das Problem ist ideologisch.  Es ist ein grundsätzliches Problem: ob die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat haben oder nicht. Ich fürchte, ohne eine politische Lösung wird sich die Situation noch weiter verschlechtern."

Es gebe diesbezüglich zwar immer wieder Gespräche, ein Durchbruch sei jedoch nicht in Sicht. Israel sei bereit, den Palästinensern Autonomie zu gewähren und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zuzulassen. Israel nenne das Westjordanland auch nicht besetztes, sondern umstrittenes Gebiet, erinnert der Weihbischof. Einen Kompromiss zu finden, sei schwierig. Gebietsaustausch hält er zwar möglich, aber:

„Solange es bei 22 Prozent für die Palästinenser und 78 Prozent für die Israelis bleibt, können die Palästinenser Kompromisse beim Gebietsaustausch akzeptieren und auch einen Kompromiss in anderen Fragen, zum Beispiel bei der Rückkehr der Flüchtlinge, bei den verschiedenen Lösungen für Jerusalem - aber nicht bei einem freien palästinensischen Staat."

„Appelliere an die Vereinigten Staaten, die Frage ernster zu nehmen“

Solange keine politische Lösung gefunden werde, werde die Gewalt weitergehen, ist Shomali überzeugt. Für eine Lösung braucht es laut dem Kirchenmann mehr Einsataz auch von außen - besonders die Vereinten Nationen und die USA nennt er hier.

„Die stärkste Nation, die helfen kann, Frieden zu schaffen, sind die Vereinigten Staaten. Ich appelliere an die Vereinigten Staaten, die Frage ernster zu nehmen."

Glauben, beten und konkrete Hilfe

Die UN seien schon aktiv, es gebe etwa Resolutionen zum Rückzug Israels aus besetzten Gebieten, die auch teilweise umgesetzt würden - jedoch noch nicht völlig. Der Weihbischof verweist in diesem Zusammenhang auch auf die israelischen Siedler in den betreffenden Gebieten. Die Hoffnung gibt Shomali auch nicht auf; auch in dieser vertrackten Lage könne - mit Gottes Hilfe - ein Wunder geschehen: 

„Im Moment sehen wir keine Zeichen, die diesen Frieden ankündigen, aber wir glauben an ihn“

„Wir wollen den Menschen keine falschen Hoffnungen machen, aber was wir sagen können, ist, dass das Gebet helfen kann. (...) Frieden ist auch hier immer möglich, aber nur der Herr kann uns wirklich helfen, ihn zu wünschen und zu verwirklichen. Im Moment sehen wir nicht die Zeichen, die diesen Frieden ankündigen, aber wir glauben an ihn. "

Neben dem Gebet für Frieden und dem Glauben an Frieden ruft der Patriarchalvikar für Jerusalem und Palästina auch zu konkreter Hilfe auf:

„Das Zweite ist, dass wir zumindest das Leid derer lindern können, die jetzt leiden, zum Beispiel in Dschenin. Dort sind Tausende von Menschen aus der Stadt, aus dem Flüchtlingslager der Stadt, geflohen, jetzt sind sie auf der Straße, in der Hitze, ohne Unterkunft, ohne Essen. Hier können wir menschlich gesehen helfen."

Im Flüchtlingslager Dschenin leben etwa 14.000 Menschen auf weniger als einem Quadratkilometer;  fünfhundert Familien wurden aufgrund der jüngsten israelischen Militäroperation vom Palästinensischen Roten Halbmond evakuiert. 

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

06. Juli 2023, 10:27