Sudan am Rande des Bürgerkriegs
Bereits am Samstag wurden bei einem Bombenanschlag im Stadtteil Omdurman 22 Zivilisten, darunter viele Frauen, getötet und zahlreiche Menschen verletzt.
Die Vereinten Nationen warnen angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage im Sudan vor einem Abdriften in einen groß angelegten Bürgerkrieg, der die gesamte Region destabilisieren könnte. In fast drei Monaten hat der Konflikt bisher mindestens 3.000 Todesopfer gefordert – die wirkliche Zahl liegt wahrscheinlich weit darüber. Außerdem sahen sich fast drei Millionen Sudanesen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Von diesen Vertriebenen sind mehr als 600.000 ins Ausland gegangen, hauptsächlich nach Ägypten und in den Tschad.
„Die Lage im Sudan wird immer schwieriger“, sagt uns ein italienischer Missionar, der seit dreißig Jahren im Land lebt und darum bittet, ungenannt zu bleiben. „Im Moment ist eine der heißesten Fronten des Krieges die Stadt Omdurman, ein riesiges Stadtviertel am Rande von Khartum, das die reguläre Armee versucht, der Kontrolle der Rebellen zu entreißen. Aber auch Khartum selbst ist heftig umkämpft, denn klar ist: Wer Khartum kontrolliert, der kontrolliert auch den Rest des Staates.“
Auch anderswo werde gekämpft, berichtet der Missionar, doch darüber wisse er wenig Genaues. Immerhin laufe in der katholischen Gemeinschaft von Port Sudan noch alles wie immer, dort würden Messen gefeiert und Sakramente gespendet wie üblich.
Bischof von Khartum hat aus Sicherheitsgründen die Stadt verlassen
„Eine andere katholische Gemeinschaft gibt es in Kosti, 200 km südlich von Khartum, außerdem in El Obeid im Westen. Das Schöne ist, dass es in diesen drei Städten einen Bischof gibt; der Bischof von Khartum ist aus Sicherheitsgründen nach Port Sudan umgezogen, die anderen beiden sind in ihrer Bischofsstadt geblieben. In El Obeid gibt es noch ein paar Priester und Ordensleute – nicht viele, aber immerhin, sie sind geblieben. Und das ist ein großes Zeichen der Hoffnung.“
Die Kirche versuche, allen Bedürftigen und Hilfesuchenden beizustehen, namentlich den Flüchtlingen. Vor allem die Orden engagierten sich, zum Beispiel die Comboni-Missionare oder die Mutter-Teresa-Schwestern. „Die Mutter-Teresa-Schwestern sind beispielsweise in El Obeid geblieben, die Combonianer sind in El Obeid und Port Sudan. In diesen Gebieten gibt es direkte Hilfen an die Bevölkerung, aber den Großteil aller Mitarbeiter der Kirche mussten wir aus Sicherheitsgründen zurückziehen.“
Am Comboni-College - einer großen Ausbildungsstruktur von der Grundschule bis zum Abitur – sei kein einziger Pater mehr verblieben. „Ich möchte aber noch hinzufügen, dass es eine Gemeinschaft der Salesianer im Süden von Khartum gibt, die noch überlebt – drei Ordensfrauen, ein Pater. Das ist ein offenes Zentrum, wo sie die Messe feiern, wo sie eine Schule haben und ein Waisenhaus, und wo sie auch Lebensmittel an die Bevölkerung um sie herum verteilen… Die Menschen, die dort leben, um diese Zentren herum, für die können wir etwas tun. Der Rest ist wirklich ein Fragezeichen.“
Dem Geistlichen zufolge braucht die Zivilbevölkerung in dieser Kriegssituation alles, angefangen bei Lebensmitteln und Wasser, aber auch Strom. „Denn die Geistlichen, die in El Obeid sind, brauchen einen ganzen Tag mit einem Solarpanel, um ihre Handys aufzuladen, und manchmal schaffen sie es einfach nicht. Im Grunde fehlt es an allem. Ich weiß nicht, wie die Familien überleben sollen. Wir haben versucht, Hilfe aus Italien zu organisieren – aber die sudanesischen Banken funktionieren nicht, und der Flughafen von Khartum ist geschlossen, es herrscht eine totale Blockade.“
Sogar Südsudan könnte auf der Suche nach Frieden eine Rolle spielen
Unser anonymer Gesprächspartner ist erschrocken darüber, dass sich – aus seiner Sicht – die internationale Gemeinschaft nicht sonderlich für die explosive Lage am Weißen und Blauen Nil interessiert. „Es wäre zu hoffen, dass die internationale Gemeinschaft eingreift… Die arabischen Länder auch – von ihnen hängt der Sudan ja immer schon ab. Und die Afrikanische Union. Auch Südsudan könnte vielleicht eine Rolle spielen – wir sind doch Geschwister! Viele unserer Christen kommen aus dem Süden.“
Die USA setzten sich für Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien ein, doch hielten die ausgehandelten Waffenstillstände immer nur ein paar Stunden.
Hintergrund
Die Kämpfe im Sudan haben am 15. April begonnen – achtzehn Monate, nachdem die beiden Generäle im Oktober 2021 einen Militärputsch durchgeführt hatten, der das Aus für eine vom Westen unterstützte zivile Übergangsregierung bedeutete. Der Putsch und der anschließende Konflikt haben alle Hoffnungen auf einen friedlichen Übergang zur Demokratie zunichtegemacht, nachdem ein Volksaufstand 2019 die Absetzung des langjährigen Autokraten Omar al-Bashir erzwungen hatte.
(vatican news – sk)
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