Argentinien: Erzbischof ruft vor Wahl zur Pflege der Demokratie auf
Zur allgemeinen Überraschung ging bei der argentinischen Vorwahl vom 13. August Javier Milei als Sieger hervor. Der Wirtschaftswissenschaftler vereint ultralibertäre und ultrarechte Positionen, will mit dem etablierten politischen System brechen und die Zentralbank in Argentinien abschaffen. Er leugnet den Klimawandel und bewundert Donald Trump und Jair Bolsonaro. Gewählt wird am 22. Oktober, doch seit der Vorwahl ist der Umgangston im wirtschaftlich und sozial ohnehin angeschlagenen Argentinien äußerst schroff.
Der Erzbischof von San Juan de Cuyo, Jorge Lozano, spricht in einer Videobotschaft von „vielen verbalen Aggressionen, Beleidigungen, Misshandlungen. All das verschlechtert das demokratische System, das demokratische Zusammenleben“, so der Erzbischof, der auf die 1983 beendete Militärdiktatur und ihre Folgen verweist: „Wir laufen Gefahr, fast 40 Jahre, nachdem wir die Ausübung des Wahlrechts wiedererlangt haben, das demokratische System zu pervertieren, zu zermürben, es immer schwächer, immer zerbrechlicher zu machen.“
„Fratelli tutti" als Lektüre vor der Wahl
Der Erzbischof hat zwei Lesetipps für Landsleute, die sich desorientiert fühlen. Zum einen empfiehlt er die gemeinsame Erklärung, die diese Woche verschiedene christliche Kirchen und anderer Religionen zum Thema Wahlen veröffentlicht haben. Dieser dialogorientierte Text sei sehr ausgewogen, so Lozano, „die Vorschläge der Kandidaten werden darin objektiv erläutert, ohne die anderen in Misskredit bringen zu wollen“.
Er selbst habe aber auch gezielt nochmals „Fratelli tutti“ gelesen, die Enzyklika von Papst Franziskus, Punkt 198. „Schauen Sie, was dort steht: ,Aufeinander zugehen, sich äußern, einander zuhören, sich anschauen, sich kennenlernen, versuchen, einander zu verstehen, nach Berührungspunkten suchen – all dies wird in dem Wort Dialog zusammengefasst.´Dialog, das heißt nicht nur reden, sondern alle diese Haltungen der gegenseitigen Anerkennung, des gemeinsamen Aufbaus pflegen“, resümiert der argentinische Erzbischof. „Die nationale Einheit dauert schon eine lange Zeit an. Brücken werden die Stein für Stein gebaut, aber sie können in einem Augenblick zerstört werden. Wir sollten uns also dazu verpflichten, Brücken zu bauen und aufhören, Mauern zu errichten, die uns voneinander trennen.“
Politische Beobachter in Argentinien meinen, dass die Vorwahlen einen tiefen Umbruch des politischen Systems in Argentinien anzeigen, bei dem die Ära der Familie Kirchner als prägende Kraft im Peronismus endet. Aber auch andere traditionelle Parteien müssten ihre bisherigen Strukturen überdenken, um wählbar zu bleiben. Papst Franziskus hat kürzlich zu Protokoll gegeben, er denke über eine Argentinienreise nach, vielleicht „nach dem Wahljahr“, als 2024. In zehn Jahren als Papst hat er sein Heimatland noch nicht besucht.
(vatican news – gs)
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