Ein Pfarrer gegen die Mafia
Don wer? Pino Puglisi war eigentlich nur ein normaler Pfarrer in einem Vorort von Palermo. Aber er ließ sich von der sizilianischen Mafia nicht den Schneid abkaufen. Darum tötete ihn ein Killer – im September 1993, also vor ziemlich genau dreißig Jahren. Und der Papst hat Don Pino 2013 in Palermo seliggesprochen.
Seitdem ist Pino Puglisi eine Art Ikone im Einsatz der Kirche gegen die Mafia (oder: die Mafien, ein Plural, der im Italienischen gängig ist). Wir fragten den Erzbischof von Palermo, Corrado Lorefice, am Rand des derzeit laufenden Katholikentreffens („Meeting“) von Rimini: Warum taucht dieser Priester immer wieder auf, wenn es um den Kampf gegen die Mafia geht?
Wirklich frei sein, inmitten der Widersprüche
„Weil er, obwohl man ihn nicht einfach auf seine Rolle als Anti-Mafia-Priester reduzieren kann, doch wirkliche Anti-Mafia-Arbeit geleistet hat – indem er nämlich andere dazu aufgerufen hat, völlig frei zu sein. Die Mafia-Kultur übt eine Macht aus, die einen versklavt, indem sie einem ein gelobtes Land vorgaukelt, das die Institutionen nicht geben können. Ich denke an unser Palermo mit all den für Süditalien typischen Widersprüchen…“
Inmitten dieser Widersprüche habe Don Pino Puglisi seine Linie gefunden, indem er sich einfach ans Evangelium gehalten habe. Das sei für ihn „nicht nur eine Lehre“ gewesen, sondern habe ihm „einen tiefen Lebenssinn vermittelt“. Und das habe der Pfarrer vor allem an die Jugendlichen in seinem Sprengel weitergegeben. Er habe ihnen Mut gemacht, nicht den Verlockungen des organisierten Verbrechens nachzugeben, sondern „wirklich frei“ zu sein.
Der Erzbischof von Palermo glaubt, dass man inzwischen durchaus von einem christlichen Widerstand gegen die Mafia sprechen kann. „Ich glaube, dass Pino Puglisi uns auch dazu eine Perspektive gibt. Natürlich leben die Christen in der Stadt und damit in einer Struktur, in der die soziale Sünde eine Rolle spielt; und nicht nur Christen, sondern jeder Bürger hat die Aufgabe, Verantwortung für den Aufbau der Stadt der Menschen zu übernehmen.“
Aber dazu komme bei Christen „die Besonderheit, sich an der Menschlichkeit Jesu zu orientieren“, so Lorefice. „Pino Puglisi wusste, dass er der Mafia Probleme bereitete. Aber er hat trotzdem weitergemacht. Darum war sein Killer wie vom Donner gerührt, als Puglisi ihn anlächelte und sagte: ‚Darauf habe ich gewartet‘. Pino Puglisi hat weitergemacht und hat Verantwortung übernommen, er hat seine Mitmenschen sozusagen in einen Akt der totalen Solidarität mit ihren Leiden und Schwierigkeiten verwickelt. Dadurch hat er sie aus ihrer Sklaverei befreit. Ich finde, dass genau darin die messianische Identität des Christen liegt...“
Mafia lässt sich nur mit Bildung besiegen
Sich im Angesicht der Mafia trotzdem für frei zu erklären: Darum sei es Pino Puglisi gegangen. Seine „zweite Front“ dagegen, so formuliert es der Erzbischof, sei Bildung gewesen: Nur mit ihr lasse sich die Mafia, die ja eine Kultur, eine Denkweise ist, besiegen.
„Das hat er auch in einigen seiner Predigten so gesagt. Bei den Erwachsenen haben wir in dieser Hinsicht vielleicht wenig Chancen; aber mit den neuen Generationen müssen wir arbeiten, gerade weil es sich um eine Kultur, eine Mafia-Kultur handelt. Es ist eine Kultur, die wir besiegen müssen, und zwar die Kultur der Macht, der Behauptung, der Gewalt, die die Identität und die Freiheit der anderen einschränkt.“
Die Mafia habe sich in den letzten Jahrzehnten verändert, bemerkt der Erzbischof von Palermo dann in unserem Gespräch.
„Es liegt offen zutage, dass es nicht mehr die Mafia ist, die wie in den 1990er Jahren unbequeme Persönlichkeiten tötet. Man könnte fast sagen: Das letzte Opfer dieser Art war in jenen schrecklichen Jahren Pino Puglisi, nach den Morden an (den Richtern) Falcone und Borsellino sowie den Anschlägen von Rom und Florenz. Aber eines ist klar: Das bedeutet nicht, dass die Mafia heute nicht mehr da wäre! Sie hat auch die chamäleonartige Fähigkeit, andere Wege zu gehen, etwa in der Finanzwelt… Und dann ist eine der wichtigsten Fronten der Mafia derzeit wieder der Drogenhandel.
(vatican news – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.