Polen: „Politik gehört nicht auf die Kanzel“
„Politik gehört nicht auf die Kanzel“, führte er gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP aus. „Geradeheraus zu sagen, wählt diese oder jene Partei, ist inakzeptabel.“
Auf die Frage der Nachrichtenagentur, worin die Rolle der katholischen Kirche in der Wahlkampfphase bestehe, erwiderte der Erzbischof von Łódź, dass dies ganz davon abhinge, wie man die Kirche definiere. „Wenn Kirche – und darauf bestehen wir ja immer – die Gesamtheit der Getauften meint, dann haben Laien das Recht zur Teilnahme am politischen Leben, das ist klar. Alle getauften Laien haben ein Recht darauf, die Welt entsprechend ihrer Überzeugungen zu gestalten“, so Ryś.
Kein Recht auf Beteiligung an sogenannter Realpolitik
Auch er selbst habe als Geistlicher das Recht, gemäß seiner politischen Überzeugungen zu wählen. „Andererseits habe ich kein Recht, mich an der sogenannten Realpolitik zu beteiligen. Das ist offenkundig und betrifft alle Geistlichen.“ Ein Recht, sich zu politischen Fragen zu äußern, hätten Geistliche Erzbischof Ryś zufolge nur dann, wenn sie moralischer Natur seien. Als Beispiel dafür nannte der die Kritik von Justin Welby, dem Erzbischof von Canterbury, an der britischen Migrationspolitik. Damit habe Welby keine Politik getrieben, sondern eine politische Handlung moralisch bewertet.
Weiter berief sich Ryś auf eine Stelle in der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, die lautet: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“.
„In der Wahlkampfzeit ist es eine Selbstdefinition der Kirche, an die wir uns besonders erinnern sollten, dass die Kirche nicht dafür da ist, bestehende Polarisierungen zu verschärfen oder neue zu schaffen“, führte der künftige Kardinal aus. Der Kirche habe es um Schaffung von Einheit zu gehen. „Wir haben uns im Zweiten Vatikanum selbst so definiert. Manchmal denke ich aber, es kommt uns nur so vor, als ob.“
Meinungskundgaben für Geistliche tabu
Dementsprechend hält Ryś es auch für unzulässig, wenn Geistliche ihre eigenen politischen Ansichten bekunden. Sie dürften nicht riskieren, eine „Mauer“ zwischen sich und den Teilnehmern eines Gottesdienstes zu errichten, denen sie die Kommunion spenden oder die Beichte abnehmen. Stattdessen empfiehlt er „priesterliche Askese“ und erklärt päpstliche Pilgerreisen zum Leitbild, bei denen es auch darum gehe, mit Politikern Dialog zu führen, die man sonst vielleicht lieber nicht treffen würde. „Bei päpstlichen Liturgien passiert es nicht, dass Politiker Reden halten. Sie begrüßen und verabschieden sich – das war's.“
Politiker-Reden in Kirchen nur unter strengen Regeln
Damit nahm Ryś auch Bezug auf die Gegenwart von Politikern der nationalkonservativen PiS während Gottesdiensten und verwies auf eine Erklärung des polnischen Episkopats, der die Politik davor warnte, die Kirche in ihre Sphäre hineinzuziehen. Falls man schon Politiker in einer Kirche reden lassen wolle, so Ryś, dann lange vor oder nach dem Gottesdienst, keineswegs während der Messe und nicht im Altarraum, sondern am besten ohne Mikrofon und nur im Seitenbereich – und dann auch nur nach genauer Absprache.
Kritik an Abtreibungspolitik in Messen keine politische Einmischung
Andererseits nahm der künftige Kardinal aber auch Geistliche in Schutz, die während des Gottesdienstes an die Position der Kirche zur Abtreibung erinnern. Dabei handele es sich nicht um politische Einmischung. „Die Lehre der Kirche ist im Hinblick auf Abtreibung offenkundig, und es besteht keine Möglichkeit eines Wechsels der Doktrin. Sie wurde von Papst Johannes Paul II. endgültig und unfehlbar proklamiert“, stellte Ryś klar. Gleichzeitig erinnerte auch auch an die Verantwortung der Kirche, Frauen und Familien von der Schwangerschaft bis zur Geburt und darüber hinaus zu begleiten. Dieser „großen Verantwortung“ werde die Kirche aber auch in vielerlei Hinsicht gerecht.
(domradio – sk)
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