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Volodymyr Sahaidak (Foto: Avvenire) Volodymyr Sahaidak (Foto: Avvenire) 

Ukraine: Der „Schindler von Cherson“

„Ich rief meine Frau an und sagte ihr: Ich werde nicht mehr nach Hause zurückkehren, bis die Kinder in Sicherheit sind.“ Das sagt Volodymyr Sahaidak, Leiter eines sozialen und psychologischen Rehabilitationszentrums für Minderjährige in der ukrainischen Region Cherson.

„Die russischen Besatzer fragten mich: ‚Warum hängt hier die Flagge der Ukraine?‘. Ich gab zurück: ‚Welche sollte denn sonst da hängen?‘ Das schockierte sie. Sie hatten eigentlich gedacht, dass überall russische Fahnen flattern würden, wenn sie in die Stadt einzögen. Ich sagte ihnen: ‚Wenn es hier eine andere Fahne gäbe, würde ich hier nicht arbeiten‘. Ich hatte Angst um meine Familie, um meine Kinder... aber ich hatte keine Angst um mich selbst.“

„Ihr seid Nazis“, hätten die russischen Besatzer gesagt. „Wir werden euch die Kinder wegnehmen und sie umerziehen, und ihr kommt vor Gericht.“ Sahaidak ließ sich nicht einschüchtern. Er zog von zuhause aus und lebte zwei Monate lang mit den Jugendlichen im Zentrum, um sie möglichst zu schützen. Tatsächlich konnte er alle 52 jungen Leute retten. Er sorgte dafür, dass sie in sichere Gebiete geschmuggelt wurden, einer nach dem anderen, mit gefälschten Papieren. Eine Herkulesarbeit.

Einwohner von Cherson feiern nach dem russischen Rückzug, November letzten Jahres
Einwohner von Cherson feiern nach dem russischen Rückzug, November letzten Jahres

15 Kinder wurden auf die Krim verschleppt

Nichts tun konnte er aber für 15 ukrainische Kinder, die die Invasoren aus Mykolaiv mitgebracht hatten. Sie blieben ein paar Tage im Zentrum, unter ständiger Bewachung durch die Russen, und wurden dann weggebracht, in Richtung Krim.

Der "Oskar Schindler" von Cherson - ein Bericht von Radio Vatikan

„Ich habe mitbekommen, dass die Entscheidung, die Kinder zu deportieren, vom Militär getroffen wurde. Uns war völlig klar, dass die Russen die Kinder kontrollierten und uns nicht einfach mit ihnen weggehen lassen würden. Es gab ja überall Kontrollpunkte, und dazu massenweise Kollaborateure – sie hätten sie schnell wieder aufgespürt.“

In der Region Cherson, kurz nach dem Abzug der Russen, Ende September 2022
In der Region Cherson, kurz nach dem Abzug der Russen, Ende September 2022

Zeuge gegen Putin

Heute ist Sahaidak untergetaucht – schließlich ist er einer der Hauptzeugen bei den Ermittlungen gegen die russische Führung, darunter Präsident Putin, wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland. Die Kameras in seiner Einrichtung haben gefilmt, wie russische Soldaten ihn zur Herausgabe der Liste seiner Schützlinge aufforderten; jetzt bekommt er immer wieder russische Drohungen. Aber er findet, das sei es wert gewesen. Angst hat er nicht, erzählt er, das habe mit einem Ereignis von vor zwei Jahren zu tun. Er sagt nicht näher, was er meint – vielleicht eine Krankheit?

„Vor zwei Jahren habe ich an der Grenze zwischen Leben und Tod gestanden, nein, eigentlich hatte ich diese Grenze schon überschritten… Und seitdem habe ich vor nichts mehr Angst. Es war so, dass Gott mir das Leben geschenkt hat. Und lange Zeit habe ich mich gefragt: ‚Warum? Warum bin ich noch am Leben?‘ Als der Krieg ausbrach, habe ich es dann verstanden. So hatte ich keine Angst mehr vor irgendetwas.“

(vatican news mit material von avvenire und slidstvo.info – sk)

 

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21. August 2023, 10:19