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Prof.in Klara-Antonia Csiszar lehrt Pastoraltheologie in Linz Prof.in Klara-Antonia Csiszar lehrt Pastoraltheologie in Linz 

Synodenberaterin: Eine hörende Kirche geht einer lehrenden Kirche voraus

Die in Linz lehrende Pastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar rät zum vorurteilslosen Zuhören anderer Gläubiger, auch wenn deren Sensibilitäten sich mit den eigenen nicht decken. Csiszar, die selbst der ungarischen katholischen Minderheit in Rumänien angehört, wird als Beraterin an der Weltbischofssynode teilnehmen.

Am Dienstag hielt sie ein Referat beim Internationalen Kongress Renovabis an der Hochschule für Philosophie in München, Gudrun Sailer sprach mit ihr.

Frei sein vom westlichen Liberalismus

Frau Professor Csiszar, Sie nehmen in drei Wochen an der Weltbischofssynode in Rom teil und hier dieser Tage in München am 27. Internationalen Kongress Renovabis. Es geht um Freiheit, Demokratie, Menschenrechte in Ostmitteleuropa fast 35 Jahre nach dem großen Umbruch. Wenn Sie heute einen Blick werfen auf die kirchliche Situation, welchen Zugang hat die katholische Ortskirche in diesem Land oder überhaupt in Ost- und Mitteleuropa zu Freiheit, Demokratie, Menschenrechten?

Csiszar: Ja, wir wollen nach wie vor frei sein, heißt es immer wieder im Bereich der Kirche, aber auch der Politik in Ungarn. Und momentan heißt frei sein: frei sein vom westlichen Liberalismus. Dahinter könnte auch eine Angst stehen, dass einfach die Ortskirchen, die Gesellschaft eher verunsichert ist. Was passiert, wenn Menschen plötzlich selber entscheiden dürfen, welche Lebensentwürfe sie für sich gestalten wollen und das nicht mehr mit unseren traditionalistischen Bildern und Vorstellungen über Familie übereinstimmt? Wie gehen wir damit um? Momentan gibt es eine Ablehnung von solchen Lebensentwürfen, und man bezieht sich auf die Lehre, auf die Moral der Kirche, der zu gehorchen ist. In dieser Situation ist die große Herausforderung, wie eine Kirche bei den Menschen bleiben kann, unabhängig davon, welches Geschlecht man ist, welcher Nationalität man angehört, welcher Religion.

Hier das Interview zum Nachhören

Es nicht immer besser wissen wollen

Wie herausfordernd ist das?

Csiszar: Das ist momentan sehr schwierig. Aber es gibt wichtige Hotspots auch in Ungarn, für die das ganz wesentlich ist, und die nicht sagen, meine Vorstellungen müssen stimmen, und dann höre ich den Menschen zu, oder dass ich die Menschen korrigieren will, bevor sie überhaupt einen Platz in der Kirche haben. Wir wollen das Zuhören beginnen, bevor wir lehren. Eine hörende Kirche geht einer lehrenden Kirche voraus! Und bei der Synode muss genau das passieren, dass wir einander zuhören, schweigen und nicht immer besser wissen, was der andere zu tun hat.

Sie selbst verstehen sich ja als Brückenbauerin zwischen Kirchen aus Mitteleuropa einerseits und dem Westen andererseits und haben in Ihrem Vortrag hier beim Renovabis Kongress auch konkrete Vorschläge gemacht. Einer davon war, dass Gläubige im Osten heute, die seit 30 Jahren ebenfalls in Demokratien leben, den Gläubigen im Westen Solidarität zurückschenken können, und zwar eine gewandelte Form von Solidarität, nicht die eher materiell orientierte Solidarität, die zuvor aus dem Westen in die Kirchen des Ostens kam, sondern umgekehrt eine gewandelte Form von Solidarität. Was genau meinen Sie damit?

Keine Schuldzuweisung, sondern zuhören

Csiszar: Ich meine damit, wir sehen ..., dass es der Kirche in Deutschland - übrigens auch anderen Kirchen, aber manche wollen es nicht wahrhaben - nicht gut geht. Die Kirche in Deutschland leidet, allem voran an der Missbrauchskrise. Mein Vorschlag ist an diesem Punkt, einfach mal solidarisch zu sein, in dieses Leiden hineinzuhören, wir aus Osteuropa. Das könnte doch ein Zeichen der Solidarität sein, wo wir dieser leidenden Kirche nicht sagen: Das ist eure eigene Schuld und das habt ihr selbst verursacht, weil ihr das und das falsch gemacht habt, und dann haben wir die Antworten: Nein! Bitte nicht wegschauen und wissen, dass die Kirche in Deutschland nicht mehr katholisch ist, sondern einfach im Zeichen dieser Solidarität zuhören, fragen: Wie geht's dir, liebe Kirche in Deutschland? Was denkst du, liebe Kirche in Deutschland, wo tut's weh? Nicht Geld ist hier in Frage, sondern ein Ohr und ein Auge zu haben und vor allem ein Herz für die Kirche in Deutschland.

„Bitte nicht wegschauen und wissen, dass die Kirche in Deutschland nicht mehr katholisch ist, sondern einfach im Zeichen dieser Solidarität zuhören, fragen: Wie geht's dir, liebe Kirche in Deutschland?“

(vatican news - gs)

 

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14. September 2023, 08:21