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Ukrainer begehen den Jahrestag der Revolution der Menschenwürde Ukrainer begehen den Jahrestag der Revolution der Menschenwürde   (ANSA)

Bischof von Odessa: Euromaidan dauert bis heute an

Der vor zehn Jahren mit dem Euromaidan begonnene Protest der Ukraine gegen russische Fremdbestimmung findet in der Verteidigung gegen Wladimir Putins Angriffskrieg bis heute seine Fortsetzung: Das hat der Bischof von Odessa, Stanislaw Szyrokoradiuk, im Interview der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress dargelegt.

„Die Ukraine kämpft heute für dasselbe wie am Maidan: Wir wollen Frieden, aber in Freiheit und Unabhängigkeit. Der Krieg ist unser Weg dorthin, aber er ist ein Kreuzweg“, so der Geistliche am Donnerstag am Rande der Vollversammlung der römisch-katholischen Bischofskonferenz der Ukraine im westukrainischen Lemberg.

Bischof Szyrokoradiuk stand am Euromaidan selbst mehrmals auf der Rednerbühne, gemeinsam mit weiteren Bischöfen auch aus der griechisch-katholischen, protestantischen und orthodoxen Kirche der Ukraine. „Wir wollten unser Volk in seinem Freiheitsstreben unterstützen“, so der Oberhirte von Odessa, der damals Weihbischof von Kyiv-Zhytomyr war. Die Ziele des Massenprotestes würden heute in der Ukraine und vor allem weltweit besser verstanden als damals, sagte er rückblickend. „Wir wollten und wollen uns von der sowjetischen Vergangenheit befreien und die Integration in die Europäische Union.“

Bischof von Odessa-Simferopol Stanislaw Szyrokoradiuk beim Liborifest in Paderborn. / © Nicolas Ottersbach
Bischof von Odessa-Simferopol Stanislaw Szyrokoradiuk beim Liborifest in Paderborn. / © Nicolas Ottersbach

Das EU-Assoziierungsabkommen war im Herbst 2013 ausverhandelt und auch vom damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch schon vor seiner Wahl versprochen worden. Dieser weigerte sich dann jedoch plötzlich, zu unterschreiben. „Jeder in der Ukraine verstand damals, dass uns Janukowitsch nur belogen und das Volk auf Geheiß des Kreml zum Gespött gemacht hatte“, so der Bischof. Als Jugendliche dagegen protestierten und von der Polizei brutal zusammengeschlagen wurden, begannen die fast drei Wintermonate dauernden Großdemonstrationen auf dem Maidan-Platz - eine laut Szyrokoradiuk „sehr gesunde Reaktion“. Am 8. Dezember - einem Marienfeiertag, wie der Bischof betonte - wurde Kiews Lenin-Statue gestürzt.

Nachdem dann Janukowitsch am 20. Februar 2014 Scharfschützen den Schießbefehl gab und über 70 Demonstranten an einem Tag getötet wurden, kam er selbst einem Sturm auf das Regierungsviertel zuvor und flüchtete nach Moskau. Daraufhin erklärte die Ukraine die vollständige Unabhängigkeit von Russland, ihren Weg in Richtung EU und NATO sowie die „vollständige Entkommunisierung“, wozu auch die Entledigung aller Sowjet-Denkmäler zählte. Russland reagierte prompt - mit der Annexion der Krim, der Invasion im Donbass und ab 24. Februar 2022 mit dem Versuch, die gesamte Ost- und Südukraine an sich zu reißen.

Erster Schnee in der Ukraine gefallen
Erster Schnee in der Ukraine gefallen

Ideologie und Glaube

Bei dem Krieg, der für die Ukraine im Osten nun schon über acht Jahre dauert und sich seit bald zwei Jahren auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt, gehe es „nicht um Territorien, sondern um Ideologie“, betonte Bischof Szyrokoradiuk. „Die Sowjetunion ist 1991 nicht zusammengebrochen, sondern hat sich nur verkleinert. Die kommunistische Ideologie dauert jedoch an, inklusive der Propagandamethoden, die auf totalen Lügen basieren.“ Russlands Machthaber Wladimir Putin verfolge weiterhin die „Idee eines neuen sowjetischen Imperiums ohne ein unabhängiges Volk“, dessen Umsetzung jedoch ohne Ukraine nicht denkbar sei.

Dass die Ukraine entgegen allem Erwarten nun schon bald zwei Jahre dem Angriff seines übermächtigen Nachbarn widersteht, nannte Szyrokoradiuk ein „Wunder“. „Putin hat zwar gut kalkuliert, hat aber nicht mit Gott gerechnet. Wir glauben, dass er uns hilft und auf unserer Seite ist“, so der dem Franziskanerorden zugehörige Bischof. Das bezeugten auch die Priester der verschiedenen Konfessionen in der Ukraine, in Wort und Tat: „Unsere Geistlichen sind vor Ort geblieben, sogar in den von Russland besetzten Gebieten. Sie feiern in Schutzkellern Gottesdienst, verteilen alles, was sie haben und helfen, wo sie können.“

Zweiter Kriegswinter „besser vorbereitet“

Inzwischen gehe in seinem Land das Leiden weiter, und besonders die Begräbnisse der an der Front Gefallenen seien für ihn schmerzvoll, sagte der Bischof. Die Ukraine sei für den nun angebrochenen zweiten Kriegswinter besser vorbereitet als im Vorjahr, so der nach wie vor intensiv in Hilfsprojekten tätige frühere Präsident der ukrainischen Caritas-Spes. Vor allem die Verfügbarkeit von Stromgeneratoren durch Spenden aus Westeuropa mache den Unterschied. Auf Unterstützung von außen sei man weiterhin angewiesen. „Zuallererst brauchen wir das Gebet um Frieden, sowie auch humanitäre Hilfe, allen voran Spenden, damit wir bei uns Waren für Lebensmittelpakete kaufen.“

Die Verteidigung der Unabhängigkeit und die Integration in die Europäische Union bleibt nach den Worten des Bischofs das Ziel der Ukraine, auch wenn sie inzwischen gemerkt habe, „wie viele Freunde wir tatsächlich haben und wer gegen uns ist“. Auch wenn viele in Europa mittlerweile gleichgültig gegenüber der Situation der Ukraine schienen, dürfe die Union das Potenzial eines Beitritts nicht übersehen. „Die Ukraine braucht momentan weiterhin Hilfe, kann jedoch selbst viel für die Welt tun, nicht nur als Kornkammer oder durch seine Armee. Das ukrainische Volk hat Zukunft - und wird die EU stärker machen.“

(kap – mg)

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23. November 2023, 12:33