Vor 800 Jahren: Die erste Krippe
Es war der hl. Franz von Assisi, der am 25. Dezember 1223 in Greccio, einem kleinen Nest in Mittelitalien, dessen felsige Landschaft entfernt an Bethlehem erinnern mag, Dorfbewohner zu einer lebendigen Szenerie des Geschehens der Heiligen Nacht zusammenbrachte. Von hier geht die Tradition unserer Weihnachtskrippen aus.
Darüber sprachen wir mit Luc Mathieu. Der Franziskaner ist Theologe und ehemaliger Provinzial der Minderen Brüder in Paris.
Interview
Unter welchen Umständen hat der heilige Franziskus an Weihnachten 1223 die Geburt Christi nachgestellt?
„1223 waren es noch drei Jahre bis zu seinem Tod. Franziskus hatte bereits 15 Jahre zuvor seinen Orden gegründet. Die Krippengeschichte ist eine der bekanntesten Episoden aus seinem Leben; übrigens ist sein Leben gut bekannt, weil wir es aus zwei zeitgenössischen Quellen kennen. Der Franziskaner Thomas von Celano kannte den Heiligen noch persönlich und schrieb seine Biografie auf Wunsch von Papst Gregor IX., der Franziskus schon 1228 heiliggesprochen hatte. Und dann haben wir noch den späteren Bericht des heiligen Bonaventura, des Generalministers des Franziskanerordens, der um 1260 eine offizielle Lebensbeschreibung verfasste, die weitgehend auf dem Werk von Thomas von Celano aufbaute.
Franz von Assisi war ein begeisterter Anhänger davon, das Evangelium beim Wort zu nehmen. Er war bestrebt, das Leben Jesu Christi in jeder Hinsicht nachzuahmen. Schon seit dem heiligen Bernhard, ein Jahrhundert zuvor, waren die Christen in ihrer Frömmigkeit sehr an den Taten Jesu, an seinem menschlichen Leben, interessiert.“
Also, was geschah nun an Weihnachten 1223?
„Um das Weihnachtsfest zu feiern, bat Franziskus einen Adligen aus dem Dorf Greccio, ihm einen Stall zu leihen, damit er dort Tiere unterbringen konnte, um die Szene der Geburt des Herrn darzustellen. Er wollte dies während einer Messfeier tun. Es war eine lebendige Krippe mit den traditionellen Tieren, dem Ochsen und dem Esel, und der Anwesenheit der Brüder aus Greccio und aller Dorfbewohner. Franziskus selbst hielt die Predigt: Er predigte, als ob er das göttliche Kind wirklich vor Augen hätte. Er ließ sich von seinen Emotionen und von seiner Beredsamkeit mitreißen und vergoss dabei auch einige Tränen. Die Erzählung von Thomas von Celano ist erbaulich und malerisch. Er hebt die Motivation von Franziskus hervor: Dem Heiligen ging es zum einen um die Demut, die sich in der Menschwerdung manifestierte - ein armes Kind neben den Tieren in einer Krippe. Und andererseits um die Liebe, die sich in der Passion Jesu zeigte. Diese beiden Ereignisse, die Krippe und das Kreuz, rahmen gewissermaßen die gesamte Frömmigkeit des Franziskus ein, die er an seine Brüder weitergegeben hat.“
Wie hat sich diese franziskanische Tradition dann in der gesamten Christenheit verbreitet?
„Nach dem Tod und der Heiligsprechung von Franziskus, die sehr schnell erfolgte, schon etwa zwei Jahre nach seinem Tod, übernahmen die Minderen Brüder die Verehrung Jesu Christi als dem fleischgewordenen Wort. In ihren Predigten waren sie eifrig bemüht, die Betrachtung Jesu als Mensch unter Menschen, als Armer unter Armen, als Einfacher unter Einfachen zu vermitteln; und manchmal taten sie dies, indem sie Figuren und bildliche Darstellungen der Weihnachtsszene aufboten. Das ist der Ursprung der Krippendarstellung. Nicht, dass Franziskus die Krippe erfunden hätte; Darstellungen der Geburt Christi gab es schon vorher in alten Manuskripten, als Miniaturen, oder auch teilweise in den Kirchen. Auch auf den Vorplätzen der Kathedralen wurden bereits Para-Liturgien abgehalten. Aber diese sehr einfache, volkstümliche, dörfliche Art, die Krippe darzustellen, war die Idee des hl. Franz.“
Wie ging es dann weiter?
„Ab dem 14. und 15. Jahrhundert begann man allmählich, die Krippe mit Figuren darzustellen. Diese Tradition verbreitete sich vor allem in Italien, Neapel und in allen Ländern des Mittelmeerraums, speziell in Südfrankreich. Die Franziskanerbrüder waren damals die wichtigsten Volksprediger und entwickelten nach dem Vorbild von Franz von Assisi diese lebendigen oder bildlichen Darstellungen mit Statuen der Weihnachtskrippe und der Passion Jesu, um ihre Predigt über das Mysterium der Menschwerdung und des Osterfestes zu veranschaulichen. Sie luden das Volk zu einer konkreten Kontemplation ein. Es ging darum, zu sehen und zu berühren.
Diese besonderen Darstellungen waren nicht mehr nur Para-Liturgien, sondern vielmehr Volksfrömmigkeit, die die Menschen fast ohne Zutun des Klerus selbst durchführen konnten. Sie wurden in den Familien durch - man könnte fast sagen - weltliche Darstellungen fortgesetzt. Dies ist eine Form der Familienkatechese.“
Nun ist ja die Tradition der Krippe auch stark mit dem Heiligen Land verbunden. Wie kam es dazu?
„Die Pilgerfahrten ins Heilige Land haben seit den Kreuzzügen nie aufgehört. Mehr oder weniger wohlhabende Menschen aus dem Westen pilgerten nach Jerusalem und besuchten alle Heiligen Stätten, an denen sich ja übrigens die Franziskaner als Wächter befanden. Die Franziskaner nahmen Pilger aus dem Westen auf, vor allem lateinische Christen, und führten sie zu den verschiedenen Orten, wobei sie an das Leben Jesu erinnerten. Bei ihrer Rückkehr nach Europa wollten diese Pilger dann aus der Erinnerung an das, was sie erlebt hatten, konkrete Darstellungen machen. So entstanden zum Beispiel in Frankreich Nachbildungen der Grabeskirche. Die Krippe war also für die Pilger eine Erinnerung an das, was sie auf dem Weg nach Bethlehem erlebt hatten. So verbreitete sich die Volkstradition unter dem Einfluss der Pilger und der franziskanischen Predigt schnell.“
Wie kann es heute noch funktionieren, dass uns eine Krippe sozusagen das Evangelium nahebringt?
„Für die Evangelisierung unserer Zeitgenossen ist es sehr wichtig, die Erinnerung an die Heiligen Stätten und ihre Bedeutung für die Frömmigkeit aufrechtzuerhalten, um das konkrete Leben Jesu kennen zu lernen und gewissermaßen auf den Geschmack der Evangelien, auf den Geschmack der Erzählungen zu kommen. Es ist doch interessant, dass das Interesse an Weihnachtskrippen in unserer heutigen Gesellschaft ungebrochen ist, selbst wenn die Gesellschaft wie in Frankreich säkularisiert ist. Christliche Familien, selbst die weniger praktizierenden, sind auch heutzutage darauf bedacht, das Staunen ihrer Kinder zu fördern – und auch selbst zu staunen und die Freude über Weihnachten zu teilen, das ein Fest der Kindheit und ein Fest der Familie bleibt. Es ist auch heute dringend notwendig, dass Kinder diesen ersten Zugang zum christlichen Glauben erhalten und in sich Mitgefühl für dieses arme Jesuskind spüren...“
(vatican news - sk mit material von delphine allaire)
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