Iran: Nur wenige wollen wählen gehen
Marine Henriot und Wenzel Widenka - Vatikanstadt
„Ein gibt eine soziale Kluft zwischen einer kleinen Elite, die westlich orientiert ist und die sozialen Netzwerke nutzt und jenen, die meinen, dass es keine Lösung gibt, die von außen kommt“, erklärt der Geograph Bernard Hourcade gegenüber Vatican News. „Gleichzeitig finden sie aber auch keine Lösung von innen.“
Die iranische Gesellschaft sei gespalten und zunehmend verzweifelt. „Die Menschen haben das Vertrauen in das politische Leben verloren. Es herrscht eine allgemeine Entmutigung, die sich in einer massiven Wahlenthaltung niederschlagen kann", erläutert der Iran-Experte. Umfragen zufolge würden in der Hauptstadt Teheran nur 8 Prozent der Bevölkerung am 1. März zur Wahl gehen. Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2020 betrug die allgemeine Wahlbeteiligung nur 42 Prozent - der niedrigste Wert in der Geschichte des Landes seit der islamischen Revolution 1979.
Erste Wahl seit Protestbewegung
Die Wahl ist die erste seit der niedergeschlagenen Protestbewegung nach dem Tod von Mahsa Amini im September 2022. Die 22jährige Kurdin war von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie die strenge Kleiderordnung des Gottesstaates nicht eingehalten haben soll. Sie überlebte die Festnahme nicht. Danach erhoben sich monatelange Massenproteste. Diese seien wichtig gewesen, so Houcade, „aber man muss auch sehen, dass diese Bewegung begrenzt und letztlich kein politischer Erfolg war“. Dennoch hätten die Proteste dem Regime die Notwendigkeit von Reformen verdeutlicht. „Die Politiker sind sich uneins, wie sie darauf reagieren sollen. Alle sind sich aber bewusst, dass das, was passiert, ausschlaggebend für die Zukunft ist,“ so der Wissenschaftler.
Am selben Tag wie die Parlamentswahlen findet auch die Wahl der Mitglieder des sogenannten Expertenrates statt; ein Schlüsselorgan des iranischen Lebens. Gemäß der Verfassung überwacht der Expertenrat die Tätigkeit des Obersten Religionsführers, des höchsten Amtes in Iran, und wählt ihn auf Lebenszeit. Sie hat auch die Befugnis, ihn abzuberufen, wenn sie der Ansicht ist, dass er nicht mehr in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Dieses Amt hat der 84-jährige Ayatollah Ali Khamenei inne, der 1989 nach dem Tod des Gründers der Islamischen Republik, Ayatollah Ruhollah Khomeini, dessen Nachfolge angetreten hatte. Khamenei gilt als gesundheitlich angeschlagen und ist als Unterstützer des konservativen Kurses von Präsident Ebrahim Raisi bekannt.
(vatican news)
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