Biennale: „Jenseits jeder Grenze gibt es einen offenen Raum“
Anne Preckel und Benedetta Capelli - Vatikanstadt
Auf der internationalen Kunstausstellung Biennale wird das Gefängnisinnere im Vatikan-Pavillon zum Ausstellungs- und Begegnungsraum. Unter dem Titel „Mit meinen Augen“ werden den Besuchern die Lebens- und Leidensgeschichten der inhaftierten Frauen mit Hilfe von Fotos und Videozeugnissen nahegebracht. Weiter gibt es einen direkten Kontakt mit den Inhaftierten, die die Gäste selbst durch die Ausstellung führen. Eine dieser „Begleiterinnen“ ist Manuela, die in einem Jahr aus der Giudecca-Haftanstalt entlassen wird.
Begegnungen
„Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich an dieser Arbeit, die bis November 2024 dauern wird, teilnehmen kann“, berichtet sie Radio Vatikan über die Zusammenarbeit der Frauen mit den Künstlern, die die Ausstellung konzipierten. „Viele von uns haben verschiedene Rollen gespielt, einige haben geschrieben, andere haben andere Arbeiten gemacht, ich wurde gefragt, ob ich eine Führerin sein möchte, und da ich immer so viel rede, haben wir mit der Unterstützung meiner Gefährtinnen - wir sind zehn - sehr gerne zugesagt“, berichtet sie.
Die Ermöglichung von Gesprächen zwischen Inhaftierten und Ausstellungsbesuchern ist Teil des Kunstprojektes, das neue Räume der Begegnung eröffnen will – zwischen gesellschaftlichen Welten, die sich sonst kaum berühren, und Personen unterschiedlicher Kontexte, die doch am Ende etwas teilen können.
Ein Prozess
Leicht sei es für sie und die anderen Inhaftierten nicht gewesen, sich zu öffnen und zum Kontakt mit den Besuchern durchzuringen, gesteht Manuela: „Wir hatten große Angst und zögerten, weil es nicht leicht ist, mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen...“ Am Ende aber habe sie ihre Teilnahme zugesagt und eine neue Erfahrung gemacht: „Es war sehr schön, sehr konstruktiv... und wir werden es wieder tun“, gibt sie ihren positiven Eindruck von dem Biennale-Projekt wieder, von dem sie selbst ein Teil ist.
Manuela tritt im Vatikanpavillon, dem Gefängnis-Kunstraum, nicht nur als Begleiterin der Besucher in Erscheinung, sondern ist auch im Abbild eines kleinen Mädchens präsent, das seine ersten Schritte auf seine Mutter zu tut. Das Foto liegt Manuela am Herzen, und die Künstlerin Claire Tabouret hat es bearbeitet und in die Kunstausstellung aufgenommen. Manuelas Habseligkeit wird so zum Teil einer Erzählung der Menschlichkeit, in der Realität nicht geleugnet, aber doch geöffnet wird. Manuela beschreibt das so:
„Ich entdecke die positiven Seiten wieder, die sehr schön, sehr lehrreich und sehr konstruktiv sind, und ich hoffe, dass ich sie mit nach draußen nehmen kann, um sie an meine Kinder und Enkelkinder weiterzugeben“, blickt sie auf ihre Entlassung voraus. „Was ich meinen Weggefährtinnen mit auf den Weg geben kann: durchzuhalten, sehr viel Kraft und Vertrauen zu haben und immer zu kämpfen. Denn jenseits jeder Grenze gibt es immer einen offenen Raum, eine Freiheit, etwas Schönes, etwas Positives, das uns erwartet“, zeigt sie sich überzeugt.
Etwas öffnet sich
Diese Botschaft der Hoffnung will auch der Papst ins Gefängnis tragen, wenn er am Sonntag im Frauengefängnis auf der Insel Giudecca die etwa 80 Insassinnen trifft. Am Tag des Papstbesuches bleibt der Pavillon für Besucher geschlossen, an den anderen Tagen ist die Anmeldung für eine Begehung hier möglich.
Das Interview mit Manuela führte Benedetta Capelli von Radio Vatikan, derzeit Venedig.
(vatican news – pr)
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