Schwestern auf Lampedusa: „Das einladende Gesicht Gottes“
„Und so hat der internationale Verband von Generaloberinnen diesen Appell aufgegriffen und die einzelnen Orden gefragt“, berichtet Schwester Antonietta im Interview mit uns. „Es entstand diese Gemeinschaft, in der wir jetzt sind. Wir sind Frauen aus verschiedenen Ordenskonkregationen, und wir kommen aus Indien, Kroatien und Italien. Und das erlaubt uns, ein Zeugnis der Einheit zu sein, wenn wir Migranten willkommen heißen... und dabei wissen, dass die aus tausend anderen Ländern kommen!“
Seit September letzten Jahres leitet sie das Lampedusa-Projekt, das die „Internationale Union von Generaloberinnen“ UISG sich selbst zum fünfzigsten Geburtstag geschenkt hat. Die Ordensfrauen arbeiten, wie sie sagt, mit anderen NGOs, dem Roten Kreuz und auch den Sicherheitskräften auf der Insel zusammen.
Vergewaltigung als Preis für die Überfahrt
„Ich habe bei meiner ersten Landung wirklich die Tragödie gesehen… Es war Abend, und eine Migrantin verlor ihr kleines Mädchen von 15 Monaten, es fiel ihr aus dem Arm ins Wasser und ertrank. Eine Tragödie!“ Die meisten Flüchtlinge und Migranten, die an der Insel vor der sizilianischen Küste anlanden, sind Männer – aber es sind auch immer wieder Frauen dabei.
„Und ein Arzt hat mir gesagt: Wissen Sie, Schwester, die meisten Frauen – aber auch die kleinen Mädchen –, die hier ankommen, sind von den Menschenhändlern vergewaltigt worden. Denn das war der Preis, um in ein anderes Land zu kommen. Also, der Preis, das ist die Vergewaltigung…“
So sei es auch dieser Migrantin ergangen, die sich 2021 auf die Reise gemacht habe. Die Frau sei unterwegs vergewaltigt worden, und daraufhin wurde sie schwanger. Ihre Tochter kam unterwegs auf die Welt und war an ihrer Seite bis zu diesem fatalen Moment bei der Landung in Lampedusa. „Das war ein Baby, das aus einer Vergewaltigung entstanden war – aber es war ihre Tochter! Ihre Tochter. Man kann eine Frau in so einer Lage nicht trösten, man kann sie nur begleiten, man kann nur danebenstehen. So ein Schmerz ist grenzenlos. Wir haben mit dieser Frau zusammen geweint – das ist alles.“
Antonietta Papa hat in diesen Tagen an einer großen kirchlichen Mittelmeer-Konferenz namens „Med24“ in der französischen Hafenstadt Marseille teilgenommen. Dabei berichtete unter anderem ein junger Katholik aus Kamerun von seiner dramatischen, zwei Jahre dauernden Flucht vor den kriegerischen Wirren im Norden seines Landes; seine Stationen waren Nigeria, Niger, Algerien, ein Gefängnis in Libyen. Man könne sich gar nicht vorstellen, welche Erleichterung es für ihn bedeutet habe, als er 2016 Lampedusa erreichte.
Christus, der uns entgegenkommt
Für Bootsflüchtlinge wie ihn will die kleine Gemeinschaft der Ordensfrauen von Lampedusa dasein. „Wir wollen das einladende Gesicht Gottes, des Vaters, für diese Menschen sein, die wirklich von überallher kommen, vor allem aus Afrika, aber auch aus Bangladesch, aus der ganzen Welt. Für uns ist das Christus, der uns entgegenkommt.“
Lampedusa hat 6.000 Einwohner. Dazu kommen 1.400 Militärs – und Tausende von Migranten. „Wir sehen oft Särge im Hafen“, sagt Antonietta Papa, die zuvor unter anderem als Missionarin in Brasilien gearbeitet hat.
„Wir sind nicht naiv in unserem Denken. Wir wissen sehr wohl, dass es Organisationen gibt, die hinter diesem Migrationsstrom stehen. Er ist für sie ein Geschäft, denen geht es nicht um Menschlichkeit… Aber es scheint mir unmenschlich, dass man Menschen nicht erlaubt, zu kommen und zu gehen. Sich frei zu bewegen. Die Erde gehört Gott, und das Meer auch! Ich kann keine konkreten Ratschläge erteilen, wie man mit dem Phänomen der Migration politisch umzugehen hat; ich weiß nur, dass ein Mensch ein Mensch ist und respektiert werden sollte.“
(vatican news – sk)
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