Werke, die das Leid der Migranten in Spanien lindern
Felipe Herrera-Espaliat - Sonderkorrespondent in Ceuta und Algeciras*
Ceuta ist eine spanische Stadt, befindet sich jedoch in Afrika, im Norden Marokkos, an der Meerenge von Gibraltar. Ein strategisch wichtiges Gebiet, nicht nur für Spanien, sondern auch für tausende afrikanischer Migranten, die Jahr für Jahr versuchen, dorthin zu kommen und so erstmals Fuß auf europäischen Boden zu setzen. Seit 2020, als der Grenzverkehr streng limitiert wurde, und es beachtliche Hindernisse für die Menschenströme gab, ist alles noch viel schwieriger geworden.
Ein acht Kilometer langer und zehn Meter hoher Grenzzaun trennt die beiden Länder, eine Hürde, die hunderte Menschen täglich zu überwinden versuchen. Vielen gelingt dies; aber dann werden sie festgenommen und sofort nach Marokko zurück geschoben – oder im besten Fall kommen sie in eines der Auffanglager für Fremde. Andere, die größere Risiken eingehen, umgehen den Grenzzaun schwimmend, im Schnitt müssen sie vier Stunden am Stück schwimmen, um von der marokkanischen Küste an jene Ceutas zu kommen. Wer dabei nicht ums Leben kommt, der zittert nicht nur vor Kälte, sondern auch aus Angst, von der Polizei entdeckt zu werden.
Doch das sind längst nicht alle Gefahren. Vor allem für Frauen nicht, die sehr oft mit falschen Arbeitsversprechen getäuscht werden und dann in Menschenhändlernetzen enden, die sie zur Prostitution zwingen. Sie leben dann in Wohnungen, die einerseits ihre Unterkunft, andererseits auch Ort der Zwangsprostitution sind, so dass sie nur wenige Stunden täglich raus können – und dies stets unter strengster Kontrolle der Mafia, die sie im Griff hat.
Doppelt verletzlich
In Ceuta gibt es aber auch katholische Organisationen, die den Menschenhandel bekämpfen – etwa die Stiftung „Cruz Blanca“ (weißes Kreuz). Aus den zahlreichen Hilfs-Programmen für besonders Bedürftige stechen vor allem all jene Initiativen hervor, die Frauen aus der Zwangsprostitution retten wollen. Dabei gibt es Besuche der Frauen in den Bordellen, bei denen Körperpflege- und Gesundheitsprodukte mitgebracht werden – und so entsteht ein Erst-Kontakt.
Irene Pascual, Sozialarbeiterin bei „Cruz Blanca“ kennt die Opfer des Menschenhandels aus nächster Nähe. Viele betreut sie persönlich um ihnen Orientierung und Hilfe zu bieten, damit sie sich aus ihrer Lage befreien können. Das sei jedoch keinesfalls leicht, denn die Menschenhändler nutzen aus, dass die Opfer meist keine Sprachkenntnisse haben, um sich vor Ort zu verständigen, außerdem haben sie fernab der Heimat auch kein Netzwerk, das sie unterstützt. „Die Frauen sind aus zwei Gründen besonders verletzlich: Weil sie Migrantinnen sind und weil sie Frauen sind. Es sind Frauen, die am Ende keinen anderen Ausweg sehen, als die Prostitution, wenn sie an einem Ort, in einem Land sind, das sie nicht kennen“, erklärt Irene.
Ausgrenzung im Viertel „El Príncipe”
20 Hilfszentren in ganz Spanien betreiben Mitglieder des Franziskanerordens für „Cruz Blanca”, hochqualifizierte Teams kämpfen gegen gesellschaftliche Ausgrenzung und Herausforderungen der aktuellen Migrationskrise. „Die Migranten haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse und die verschiedenen Fachleute helfen dabei, das zu verstehen und anzugehen. Wir Ordensbrüder bilden ein Team mit ihnen und arbeiten, wenn nötig, auch 24 Stunden täglich. Wir tun es aus Liebe zu Gott“, sagt Bruder Cosmas Nduli Ndambuki.
Der Sitz dieser Hilfsorganisation in Ceuta befindet sich im berüchtigten Viertel „El Príncipe”, das als eines der gefährlichsten Viertel nicht nur der Stadt, sondern ganz Spaniens gilt. Das Viertel ist nah an der Grenze zu Marokko und fast vollständig von Muslimen aus Marokko bewohnt, die die Gegend mit Moscheen füllten. Die meisten der Menschen hier haben keine Papiere, weshalb sie nicht legal arbeiten können und auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. So ist es auch bei Omar Layadi, er ist Barbier und lebt seit 16 Jahren im Viertel. Da weder er noch seine Frau in all der Zeit ohne Aufenthaltsgenehmigung sind, ist auch ihr dreijähriger Sohn, der in Ceuta geboren wurde, ohne Papiere. Er hat faktisch gesehen auch keine Nationalität, weil es in Ceuta kein marokkanisches Konsulat gibt. Trotz allem sagt Omar, zieht er es vor, unter diesen Bedingungen in Spanien zu bleiben, statt nach Marokko zurückzukehren. „Hier sind die Arbeit und das Leben besser. Ich habe viele Freunde, Kunden und meine Familie. Alles ist hier“, sagt er.
Nayat Abdelsalam, hatte mehr Glück. Die Spanierin marokkanischer Herkunft ist muslimische Sozialarbeiterin und arbeitet mit den katholischen Hilfswerken zusammen, um die Migrationskrise zu überwinden. Als Bewohnerin des Viertels „El Príncipe” kennt sie aus erster Hand alle Bedürfnisse und kämpft auch für eine Politik, die die Ausgrenzung der die Muslime hier ausgesetzt sind und die mangelnde soziale Absicherung ändert. „Die Leute, die illegal hier sind und die Lage nicht geklärt haben, bekommen keinerlei Hilfe. Sie können zu einer Lebensmittelausgabestelle gehen, die die Kirche anbietet, und ein Essen oder etwas Brot bekommen, aber es gibt keine sonstige Hilfe, oder Projekte oder Programme für diese Menschen“, prangert Nayat an.
Immer jüngere Migranten
44 Kilometer von der Meerenge von Gibraltar befindet sich der Hafen von Algeciras, wo ein anderes Team der Stiftung „Cruz Blanca“ all jenen hilft, die schon auf den europäischen Kontinent gekommen sind, aber nach wie vor besonders verletzlich. Vor einem Jahr haben sie hier Abdeslam Ibn Yauch aufgenommen, einen 31-jährigen Marokkaner, der als Maler und Handwerker arbeitete, und hofft, diesen Beruf auch in Spanien ausüben zu können, sobald er eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat. In der Zwischenzeit macht er Fortbildungen und hilft den Migranten, die neu ankommen, besonders den jüngsten. „Die Migranten sind nun sehr jung, und ihr Anliegen ist zu arbeiten, damit sie ihrer Mutter helfen können. Deshalb denke ich, das ist die tiefste Wunde, dass sie ihre Familie verlassen haben“, beschreibt Sozialarbeiterin Mayte Sos, all jene Migranten, die an die Tür von „Cruz Blanca“ klopfen.
Hier fand auch Awa Seck Hilfe, eine 42-jährige Senegalesin, die lange Zeit zum Arbeiten in Mauretanien lebte. Vor drei Jahren entschied sie sich, noch weiter von ihrer Familie wegzugehen, in der Hoffnung, eine Arbeit zu finden, die ihre Ernährung sichern und es ihr ermöglichen würde, die Ausbildung und Kleidung ihrer in Senegal bei der Oma gebliebenen Kinder zu finanzieren. So kam Awa nach Algeciras. „Ich bin hierhergekommen, um mein Leben zu ändern, um eine gute Arbeit zu finden“, erklärt Awa. Sie ist stolz, weil sie ihre Ziele verwirklicht: Sie hat heute eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeit im kulinarischen Bereich. Sie spart außerdem damit ihre Familie zu ihr kommen kann um mit ihr hier zu leben.
Wie in Ceuta und Algeciras, wissen auch andernorts alle, die zum interdisziplinären Team von „Cruz Blanca“ gehören, dass ihre Mission weit über rein rechtliche, soziale oder gesundheitliche Hilfe für Migranten hinausgeht. Fachleute wie Freiwillige wollen vor allem all jenen, die - oftmals auch sehr verzweifelt - Hilfe suchen, ihre Würde zurückgeben. Ihre Lebensgeschichten sind voller Traumata, die sie in ihren Heimatländern erlebt haben und voll Schmerz über die Trennung von ihren Lieben, aber auch voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Bruder Giovanni Alseco, Franziskaner bei „Cruz Blanca“, betont, dass es das große Ziel der Stiftung ist, eine Familie zu sein – eine Familie, die aufnimmt, begleitet und verwandelt. „Wir setzen das Evangelium vom barmherzigen Samariter in die Praxis um, immer in völligem Dienst für die Bedürftigsten, und wir versuchen immer, das Leben der anderen mit Freude zu füllen“, sagt der Ordensmann.
*Diese Reportage wurde in Zusammenarbeit mit dem Global Solidarity Forum realisiert.
(vatican news)
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